Biblis unter Aufsicht

Erneuter Störfall im hessischen Pannen-AKW. Umweltminister verbietet den Betrieb des Reaktors

FRANKFURT taz ■ Der hessische Umweltminister Wilhelm Dietzel (CDU) legt sich – mitten im Bundestagswahlkampf – plötzlich mit der RWE Power AG an. Den Vorstand der Betreibergesellschaft der Blöcke A und B des AKW Biblis jedenfalls bestellte er am späten Mittwochnachmittag zum Rapport nach Wiesbaden. Und Dietzel, der bislang nicht gerade zu den Atomenergiekritikern gehörte, verkündete daraufhin, dass der Block B in Biblis erst wieder angefahren werden dürfe, „wenn der TÜV grünes Licht dafür schaltet“.

In Rage brachte Dietzel ein Vorkommnis der Kategorie „eilt“ im Block B am 28. August, bei dem es zu einem Fehler in der Stromversorgung des Notstandssystems gekommen war. Weil die RWE Power AG für die Schaltarbeiten, bei denen es zur „Fehlanregung“ eines Relais und dann zum Stromausfall in einer von insgesamt vier Stromversorgungsleitungen des Notstandssystems kam, keinen – erforderlichen – gesonderten Instandhaltungsauftrag erstellte, will Dietzel eventuell ein Bußgeldverfahren einleiten. Auch sei die Aufsichtsbehörde zu spät informiert worden. RWE sicherte inzwischen die Verbesserung der Prüf- und Kontrollverfahren bei Instandhaltungsarbeiten zu.

Dietzel reicht das nicht. Die von Hessen und Bayern nach der Bundestagswahl 1998 und der Ernennung von Jürgen Trittin (Grüne) zum Bundesumweltminister gegründete – atomfreundliche – „Länderkommission Kerntechnik“ (ILK) wurde beauftragt, für Biblis ein Sicherheitsmanagementsystem entwickeln, das einmal „vorbildlich für alle Kernkraftwerke in Europa“ sein soll, so Dietzel.

Die Umweltexpertin der Grünen im Landtag, Ursula Hammann, warf Dietzel gegenüber der taz dagegen vor, nur das Leben dieses „störfallanfälligsten AKW der Republik“ verlängern und gleichzeitig im Bundes- und Landtagswahlkampf den „starken Wilhelm“ spielen zu wollen. Beide Reaktoren, so Hammann, gehörten sofort abgeschaltet. Das meint auch der Bund-Naturschutz nach einer erst am Mittwoch bekannt gewordenen erneuten Wartungspanne in beiden Reaktorblöcken am 30. August.

KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT