Oder wie ich lernte, den Bomber zu lieben

„Ich nehme lieber Dinge als Menschen auf“, sagt der Bremer Hartmut Bitomsky. Mit „B-52“ hat er einen Film gedreht, der bei aller Sachlichkeit manchmal zum perversen Liebesfilm wird. Ein irrititierender Effekt anhand eines Objektes, das schon viele Künstler beschäftigt hat

Kubrick lässt grüßen: Zärtlich streicht die Kamera über die Tragflächen

Was ist die perfekteste Waffe des 20. Jahrhunderts? Die bedrohlichste, fehlerloseste, verwandlungsfähigste und (man mag es kaum sagen) auch in ihrer funktionellen Reinheit schönste? Was konnten die Russen nie nachbauen, bombte Vietnam beinahe in die Steinzeit zurück und symbolisiert bis heute die globale Hegemonie der USA wie kein anderes Ding? Der B-52-Bomber!

„Wenn wir unsere B-52 schicken, dann weiß die andere Seite, dass wir es ernst meinen“, sagt ein Militär in Hartmut Bitomskys Dokumentarfilm über diese monumentale Militärmaschine, und dies gilt für die wechselnden „anderen Seiten“ von den roten Koreanern der 50er bis zu Saddam Hussein.

Mit diesem Langstreckenbomber können die US-Streitkräfte jeden Punkt auf der Erde erreichen. 1947 wurde er als Kernwaffenträger konzipiert, im Vietnamkrieg für Tiefflüge umgebaut und flog Hunderte von Angriffen mit konventionellen Bomben. Wiederum umgerüstet für den Abwurf von „cruise missiles“ und „smart bombs“ kam er im Golfkrieg, im Kosovo-Krieg und jüngst in Afghanistan zum Einsatz.

In 122 Filmminuten stellt uns (der übrigens in Bremen geborene) Hartmut Bitomsky diese Höllenmaschine gründlichst vor. Von der Konzeption über die Montage und Funktionsweise bis zur Demontage auf einem riesigen Schrottplatz. Er führte Interviews mit Konstrukteuren, Fans (die etwa die „Noseart“ genannten Pinup-Bilder sammeln, die die Soldaten auf ihre Flugzeuge malten), Militärstrategen, Historikern, Museumsführern (u.a. in einem „Atombombenmuseum“ in Omaha), Piloten und Vietnamesen, die entweder Opfer der Bombenangriffe wurden oder als Mig-Piloten B-52s abschossen. „Ich nehme lieber Dinge als Menschen auf“, hat Bitomsky einmal gesagt, und das merkt man seinen Filmen auch an.

Seine Kamera glorifiziert manchmal geradezu diese riesige Maschine, gleitet in langen Einstellungen an ihren Tragflächen, Düsentriebwerken und Schwanzflossen entlang. In einigen Momenten droht „B-52“ bei aller Sachlichkeit ein perverser Liebesfilm zu werden.

Aber mit genau diesem irritierenden Effekt hat schon 1963 Stanley Kubrick in seinem B-52-Film „Dr. Seltsam oder wie ich lernte die Bombe zu lieben“ (den das Kino 46 klugerweise zum Vergleich auch in dieser Woche zeigt) gearbeitet. Das Bild vom Bomber, der in der Luft von einem Tankflugzeug „gesäugt“ wird – zärtlich und mit idyllischer klassischer Musik unterlegt – gehört zu Kubricks raffiniertesten Regieeinfällen.

Und noch ein zweiter, ähnlich analytisch denkender amerikanischer Künstler hat sich mit der B-52 in seinem Werk beschäftigt: In Don DeLillos „Underworld“ arbeitet die Aktionskünstlerin Klara Saxs an einem Projekt auf einem riesigen Feld mit ausrangierten B-52-Bombern in der Wüste von Arizona.

Ohne den Roman (und Kubricks Film) auch nur mit einem Wort zu erwähnen, zeigt nun Bitomsky, dass DeLillo kaum etwas erfunden, sondern nur fiktiv verdichtet hat: Denn es gibt tatsächlich ein riesiges Areal in der Wüste bei Tuscon, in dem 250 B-52 auf ihre Verschrottung warten, und es gibt New Yorker Künstler, die Skulpturen aus Schrottresten der Bomber bauen.

Bitomsky mag am Besten von Dingen erzählen können, aber er hat ein Gespür dafür, welche Komplexität und erzählerische Potenz bestimmte Objekte haben.

Dieses ganz eigene Talent bewies er schon in seinem US-Roadmovie „Highway 40 West“, und den Filmen „Reichsautobahn“ und „Der VW-Komplex“. So erzählt er auch hier, obwohl er immer ganz nah am „Ding“ bleibt, doch von den Menschen, und wenn man in „B-52“ die US-Amerikaner durchweg stolz von ihrer Wundermaschine schwärmen hört, bekommt man dadurch einen erstaunlich tiefen und erschreckenden Einblick in ihre Psyche.

Wilfried Hippen

„B-52“ läuft täglich bis Dienstag um 20.30 Uhr im Kino 46, der „Film zum Bomber“: „Dr.Seltsam oder wie ich lernte die Bombe zu lieben“ läuft dort Fr. u. Sa. um 22.45 und So. um 18.30