Schnell, clever, deutlich

Missing Link: Der Gitarrist Volker Kriegel, der den deutschen Fusion-Jazz nach 1970 maßgeblich prägte, ist tot

„Bei mir beginnt es damit, dass ich übe, und zwar planlos“, schrieb Volker Kriegel in den Liner Notes zu seiner letzten CD „The United Jazz and Rock Ensemble plays Volker Kriegel“. Nach über einem Vierteljahrhundert Bandgeschichte war er kürzlich erst noch bei der Abschiedstournee dieses Ensembles dabei, Interviews gab er allerdings schon lange nicht mehr. Der Kehlkopf, die Operationen, und nach dem kurzen Glauben an die fast gelungene Besserung erwischte es ihn doch wieder.

Volker Kriegel war einer der wichtigsten Gitarristen, den der deutsche Jazz nach 1970 hatte. In den Jahren zuvor hatte er in Frankfurt Soziologie studiert. Auch bei Adorno, dessen Jazzhass er später in einem superben Essay im Stil der Neuen Frankfurter Schule analysierte. Darin lanciert Kriegel, dass Adorno wohl einfach alles missverstanden habe, weil er den Slang seines Beraters schlicht falsch übersetzte, als er mit einem der führenden amerikanischen Jazzkritiker einen Jazzclub besuchte. Wer „bad“ als schlecht oder misslungen übersetzt, wird in der Welt des Jazz Probleme haben, die Codes zu deuten.

Kriegels Doppel-LP „Missing Link“ prägte den deutschen Fusion-Jazz der Siebzigerjahre. Er hatte sich das Gitarrespielen selbst beigebracht, und er spielte schnell, clever und deutlich. Für das Kritikergewerbe hatte er nicht viel übrig, weil ihm der Hang zu Novitäten fremd war, eher sagte er dann so was wie, dass es darum gehe, die schönen alten Geschichten auf neue Weise zu erzählen. Später, in den Achtzigern, komponierte Kriegel auch für Fernsehserien und konzentrierte sich dann zunehmend aufs Zeichnen und Schreiben.

In seinem letzten Buch „Erwin mit der Tröte“ geht es um einen Nasenbär, der schöner als alle anderen Tröte spielt und dazu noch nicht mal ein Instrument braucht, denn seine Tröte ist die eigene Nase. Erwin lebt auf einer Insel und spielt dort mit den Dschungel-Kings. Ob nun der Marimba spielende Horsti oder der Akkordeon spielende Alligator Alex, man meint, von solchen Typen habe man im wirklichen Jazz auch schon gehört.

Als Komponist, der seinen Stücken Titel gab wie „Postcard For F. W. Bernstein“ und „Don’t Follow The ‚Follow Me‘ Sign“ erinnerte er immer wieder daran, dass die Kompositionen erst durch die Interpretation lebendig werden, durchs Spielen. „Die Töne machen die Musik, nicht die schwarzen Punkte auf dem Notenpapier“, schrieb Volker Kriegel, der am Wochenende im Alter von 59 Jahren in Spanien starb. CHRISTIAN BROECKING