DER VÖLKERMORD

Beim Völkermord in Ruanda zwischen dem 7. April und Mitte Juli 1994 werden 800.000 bis 1.000.000 Menschen getötet. Unter dem Kommando radikaler Sicherheitskräfte massakrieren Hutu-Milizen sämtliche Tutsi, die sie finden, sowie jeden, der sich dem Genozid entgegenstellt.

Hintergrund ist, dass in Ruanda seit der Unabhängigkeit 1962 Hutu-Politiker regieren, die hunderttausende Tutsi in Nachbarländer vertrieben hatten. 1990 war die von Exiltutsi geführte Rebellenarmee RPF (Ruandische Patriotische Front) aus Uganda in Ruanda einmarschiert. 1993 schlossen RPF und Regierung Frieden. Die anvisierte Einsetzung einer gemeinsamen Übergangsregierung fand jedoch nie statt. Hutu-Hardliner lehnten jede Kooperation mit Tutsi ab und bereiteten stattdessen deren Auslöschung vor.

Das Massenmorden beginnt in der Nacht zum 7. April 1994. Hardliner des Militärs unter Führung von Théoneste Bagosora ergreifen die Macht, nachdem Präsident Juvenal Habyarimana beim Abschuss seines Flugzeuges am Abend des 6. April getötet worden war. Mit ihrer Machtergreifung sabotieren sie den Friedensprozess. Wenige Tage später greift auch die RPF erneut zu den Waffen.

Die internationale Gemeinschaft will wochenlang nicht wahrhaben, dass ein Völkermord passiert. Die meisten Ausländer in Ruanda werden während der ersten Tage des Genozids von französischen und belgischen Kampftruppen evakuiert, die Ruander weder schützen noch gegen die Massaker einschreiten. Priorität der internationalen Diplomatie ist allein der Zusammenbruch des Waffenstillstands zwischen Regierungsarmee und RPF. Am 21. April empfiehlt der UN-Sicherheitsrat daher den Abzug fast aller in Ruanda stationierten Blauhelme. Dadurch ermutigt, dehnen Ruandas Militärherrscher das organisierte Morden auf ganz Ruanda aus.

Die Mörder gehen methodisch vor: mit vorbereiteten Todeslisten in den Städten und festen Arbeitszeiten für Milizen auf dem Land. Vereinzelter Widerstand gegen die Massaker wird rasch gebrochen.

Das Ende des Völkermordes kommt erst mit dem Vormarsch der RPF. Am 13. Juni erobert sie die Stadt Gitarama, Sitz der „Interimsregierung“, die den Genozid leitet. Vier Tage später beschließt Frankreich – das die Völkermordverantwortlichen als legitime Regierung anerkennt – ein militärisches Eingreifen im Regierungsgebiet. Am 4. Juli nimmt die RPF Ruandas Hauptstadt Kigali ein. Mitte Juli evakuieren die Franzosen die Befehlshaber des Völkermordes nach Zaire. Die RPF bildet in Kigali eine Regierung und regiert Ruanda bis heute.

In Zaire (heute Kongo) bilden die Völkermordverantwortlichen eine Exilverwaltung, gestützt durch internationale Flüchtlingshilfe, und planen die Rückeroberung Ruandas. Dem kommt Ruandas neue RPF-Regierung 1996 durch den Einmarsch in Zaire zuvor. D.J.