Mit Faust und Stiefel

Pressefreiheit haben sich die Journalisten in Bukarest anders vorgestellt: Der Essener WAZ-Konzern soll sich „brutal“ in die Berichterstattung seiner rumänischen Tageszeitungen eingemischt haben

AUS BUKAREST KENO VERSECK

Es ist schweres Geschütz, das die Bukarester Tageszeitung Romania libera in diesen Tagen auffährt. „Der schwärzeste Tag“, stand am Montag in Riesenlettern auf der Titelseite zu lesen, daneben eine Erklärung der Redaktion, in der schwere Vorwürfe gegen den Mehrheitseigentümer der Zeitung, den WAZ-Konzern, erhoben werden.

Die Redaktion spricht von „brutaler Einmischung“ der WAZ in die redaktionelle Arbeit der Zeitung. Hauptanklagepunkt: Seit einiger Zeit übe der westdeutsche Pressekonzern Druck auf die Redaktion aus, weniger regierungskritisch aufzutreten. Die WAZ wolle aus der Zeitung ein Boulevardblatt mit „positiven Reportagen“ und Promi-Berichterstattung machen.

Die Romania libera war nach dem Sturz des Diktators Nicolae Ceaușescu im Dezember 1989 das Flaggschiff der freien Presse in Rumänien. Ihr Direktor Petre Mihai Bacanu hatte unter der Diktatur im Gefängnis gesessen, weil er illegal eine Ceaușescu-kritische Zeitung gedruckt hatte. Vor vier Jahren kaufte der WAZ-Konzern 70 Prozent der Anteile an der Zeitung. Petre Mihai Bacanu bedauert den Einstieg der WAZ bei seiner Zeitung inzwischen „bitter“. Der Chefredakteur Bogdan Ficeac berichtet, seit Monaten seien Diskussionen mit WAZ-Leuten immer wieder in Vorwürfe ausgeartet, man kritisiere die regierende Sozialdemokratische Partei PSD zu sehr.

Erst letzte Woche hatte die Redaktion der Bukarester Tageszeitung Evenimentul Zilei sich in einem Protestschreiben an ihren Eigentümer, den Schweizer Medien-Konzern Ringier, über dessen Einmischung in redaktionelle Angelegenheiten beschwert. Unter dem Vorwand organisatorischer Veränderungen habe Ringier versucht, „den kritischen Ton des Blattes abzuschwächen“, heißt es in der Erklärung der Redakteure.

Die Zeitung Evenimentul Zilei ist mit einer Auflage von 100.000 Exemplaren eine der meistgelesenen überregionalen Tageszeitungen in Rumänien und zugleich das derzeit regierungskritischste Blatt, über dessen Berichterstattung sich Regierungsmitglieder in den letzten Monaten mehr und mehr beschwert haben.

Dass sich die Beschwerden von Journalisten und die Proteste ganzer Redaktionen gegen ihre Eigentümer derzeit häufen, ist kein Zufall. Im November stehen Parlaments- und Präsidentschaftswahlen an, und die Regierungspartei versucht offen, die Medien auf ihre Seite zu ziehen.

Druck wird auch über die Vergabe von Werbeaufträgen ausgeübt, denn die Regierung ist einer der größten Auftraggeber für Anzeigen und Werbespots. Bei unliebsamer Berichterstattung werden solche Aufträge schlicht gestoppt, mit verheerenden Folgen für die betroffenen Medien.

Sowohl die rumänische Regierung als auch der WAZ- und der Ringier-Konzern bestreiten die Vorwürfe der Redaktionen von Romania libera und Evenimentul Zilei. Zu den Details der Konflikte wollen sich die beiden Medienkonzerne nicht äußern. Für manche rumänischen Journalisten ist jedoch in diesem Tagen eine Welt zusammengebrochen. „Wir Journalisten haben lange Zeit mit der Vorstellung gelebt, dass der Westen ein besserer Eigentümer ist und uns nicht auf eine Weise mit Füßen treten würde, wie es die rumänischen Magnaten tun“, schrieb der Chefredakteur der Tageszeitung Adevarul am Dienstag in einem Leitartikel. „Nun sehen wir, dass auch die ‚feinsinnigen‘ europäischen Patrone sich nicht scheuen, mit der Faust und dem Stiefel in eine Redaktion zu trampeln.“

Die WAZ sieht das freilich anders und dementierte. Im hart umkämpften rumänischen Markt müsse die Romania libera eine Qualitätszeitung bleiben und werde „in diesem Sinne“ weiter „Auffrischungen“ erfahren, hieß es aus Essen. Darüber hinaus habe sich die WAZ, als einziges Medienunternehmen neben der norwegischen Orkla Media AS, den OSZE-Grundsätzen für Pressefreiheit verpflichtet.