Lulas Arbeiterpartei muss bangen

Bei den Kommunalwahlen in Brasilien verbucht die PT Gewinne in der Provinz. Doch in São Paulo droht eine Niederlage

PORTO ALEGRE taz ■ Nach der ersten Runde der brasilianischen Kommunalwahlen am Sonntag dürfen sich sämtliche großen Parteien bestätigt fühlen: Der rechtsliberale Cesar Maia schaffte die Wiederwahl in Rio de Janeiro mit absoluter Mehrheit. Die Zentrumspartei PMDB wird fast ein Fünftel aller 5.562 Bürgermeister stellen. Zur wichtigsten Oppositionskraft hat sich die sozialdemokratische Partei PSDB von Expräsident Fernando Henrique Cardoso gemausert, und die meisten Stimmen bei den Bürgermeisterwahlen erzielte mit gut 17 Prozent die Arbeiterpartei PT von Präsident Luiz Inácio Lula da Silva.

Bereits im ersten Wahlgang errang die PT über 380 Rathäuser, mehr als doppelt so viele wie bisher. Ihre Kandidaten siegten in sechs der 26 Landeshauptstädte, so in den Metropolen Belo Horizonte und Recife. In weiteren neun kamen sie in die Stichwahl. Zusammengerechnet behielten die bürgerlichen Parteien allerdings klar die Oberhand.

Ob der Stimmenzuwachs für die PT vor allem in den kleinen und mittleren Kommunen als Vertrauensbeweis für die Politik der Bundesregierung gedeutet werden kann, ist unter Wahlforschern umstritten. Zwar sind die Umfragewerte für die Regierung Lula wieder gestiegen, nachdem für 2004 ein Wirtschaftswachstum von 4 Prozent abzusehen ist und die Arbeitslosigkeit abnimmt. Wichtiger dürfte der generalstabsmäßig durchgesetzte Aufbau von Parteistrukturen in der Provinz gewesen sein. Dabei war die Verheißung auf eine direkte Verbindung zur Macht wichtiger als eine „linke“ Programmatik .

Ausgerechnet in São Paulo, wo Präsident Lula seiner Parteifreundin Marta Suplicy höchstpersönlich Wahlkampfhilfe leistete, droht ihr nun eine bittere Niederlage. Wie in sämtlichen Städten mit über 200.000 WählerInnen, wo kein Kandidat die absolute Mehrheit erreicht hat, kommt es dort am 31. Oktober zur Stichwahl, und zwar zwischen Suplicy und dem Sozialdemokraten José Serra.

Serra, der Lula vor zwei Jahren bei der Präsidentenwahl unterlegen war, erhielt überraschend 43,5 Prozent der Stimmen, Suplicy kam nur auf 35,9 Prozent. Wegen der strategischen Bedeutung der 10-Millionen-Metropole hatten PT und PSDB den Wahlkampf massiv „nationalisiert“. Die meisten großen Medien standen dabei auf der Seite Serras und geißelten die „Arroganz“ der selbstbewussten Feministin Suplicy. Ihre selbst von Gegnern gelobte Sozialpolitik, die immerhin zwei Millionen Einwohnern der Armenviertel zugute kommt, wurde dagegen kaum zum Thema.

Wenn sich in São Paulo – wie schon so oft – die Trends der zukünftigen Entwicklung abzeichnen, dann hat die Opposition allen Grund zur Hoffnung. „Der Wahlkampf ist zu einer bizarren Marketingveranstaltung verkommen“, heißt es in einem Manifest ehemaliger PT-Intellektueller. „Die fehlende Perspektive für substanzielle Veränderungen schafft bei der Bevölkerung ein Gefühl der Frustration und der Mutlosigkeit.“ GERHARD DILGER