Metallica fürs Jugendzimmer

Wichtiger als Pete Townsend – der US- Gitarrenbauer Martin nennt seine luxuriöse Westerngitarre nach dem Duisburger Musikpionier Peter Bursch

Burschs Methode stammt aus der US-Folkszene der 1930er JahreMit jungen Schülern schaut er auch Limp Bizkit an, um die zu imitieren

AUS DUISBURG MICHAEL HAERING

Deutschlands bekanntester Musiklehrer war selbst überrascht, als er einen Anruf aus Nazareth in Pennsylvania bekam. Nachdem die US-amerikanische Martin-Company mit Koryphäen der Rockgeschichte wie Eric Clapton, Paul McCartney und Marc Knopfler Sonderausgaben dieses Rolls Royce unter den Gitarren produziert hat, hätte man vielleicht erwarten können, dass nun Pete Townsend von The Who oder Keith Richards von den Rolling Stones an der Reihe sind. Offenbar aber hat die Firma ein Interesse, ihr Image in Deutschland aufzupolieren. Und so kommen die ersten der insgesamt 28 Sonderanfertigungen der Luxus-Westerngitarre für etwa 3.000 Euro pro Exemplar auf den Markt – ihr Name: Peter Bursch.

Gerade kehrt der zu einigem Wohlstand gekommene Hippie mit Nickelbrille und femininer Lockenpracht mit seinen beiden Enkelkindern von einer Cowboy- und Westernranch in seine Heimatstadt Duisburg zurück. In Hawai-Hemd und Shorts öffnet Bursch die Tür zu seinem Studio in der vielleicht einzigen Allee mit Grünstreifen in der Ruhrgebietsstadt. Den Besucher strahlt der 55-Jährige mit einem jugendlichen Lachen an, wie es Menschen gelingt, die rundum zufrieden sind mit ihrem Leben.

In Deutschland war Bursch der erste, der Folk- und Rocklehrbücher ohne Noten publizierte. Er machte damit eine Methode populär, die in den USA in der schwarzen Blues- und Folkszene schon seit den 30er und 40er Jahren angewandt wurde. Beinahe zwei Millionen Lehr- und Songbücher hat der Gitarrist seitdem verkauft. Alleine Burschs “Gitarrenbuch – von kinderleicht bis ganz schön schwierig – ohne Noten!“ fehlt in kaum einem musischen Haushalt. Im kommenden Jahr feiert das Songbook sein 30-jähriges Jubiläum – stolz zeigt Bursch seinem Besucher die vergoldete Ausgabe des Lehrbuchs.

Inzwischen hat er 15 Bücher veröffentlicht, nicht nur zu Folk- und Rockmusik, sondern auch mit Weihnachts- und Kinderliedern. Einige davon werden seit kurzem auch auf dem englischsprachigen Markt vertrieben. Gerade erst ist das zweite Songbuch mit Stücken von den Eagles bis Madonna erschienen.

Mit seiner Methode, Rock-, Pop- und Folkmusik auf Tabulaturen zu veranschaulichen, kann jeder Laie Rockmusik nicht nur konsumieren, sondern auch selber spielen. „Tabulaturen sind viel leichter zu lesen als Noten“ – Burschs Credo ist die Einfachheit. Man könne mit drei Akkorden einen guten Rocksong spielen und erst später das dazugehörige Solo lernen.

Sein erstes Gitarrenbuch stellte er Mitte der 70er Jahre selber her. Der Gitarren-Anfänger findet darin Songs wie „Get Back“ von den Beatles, den man mit nur zwei Akkorden spielen kann oder auch „Paint it Black“ von den Rolling Stones. Ursprünglich ging die Initiative von seinen Schülern aus, die baten ihn darum, seine Zettelwirtschaft in den Kursen in einem Heft zusammenzufassen. 50 Exemplare hatte die erste Auflage im Eigenverlag, bei jedem Workshop wurde die Nachfrage größer. Schwieriger wurde es einen Verlag zu finden, der sich traute, ein Lehrbuch ohne Noten zu drucken. Doch irgendwann ließ sich Voggenreiter erweichen, 2.000 Exemplare zu drucken. Nachdem die Stückzahl in einer Woche vergriffen war, begann Burschs Weg zum Gitarrenlehrer einer ganzen Generation von Pop- und Rockgitarristen, zu denen neben Campino von den Toten Hosen auch die Scorpions gehören.

Bursch selbst hat in den 50er Jahren als Elvis-Fan bei den Pfadfindern am Lagerfeuer angefangen Gitarre zu spielen. „Es gab damals nur Klassiklehrer, da hatte ich natürlich keinen Bock drauf,“ erinnert er sich – gleichwohl absolvierte er selbst eine klassische Klavierausbildung an einem Konservatorium. Gitarre lernte er anders: Er ließ sich einiges von seinem älteren Bruder zeigen oder hörte Akkorde von seinen Vinylplatten heraus. Auch seine Schüler sollen deshalb lernen, nach Rhythmus und Gehör zu spielen. Wenn Jugendliche von einer klassischen Musikschule kommen, dann hätten die sowieso keine Lust, noch einen weiteren italienischen Tanz zu lernen: „Die wollen endlich ma‘ Metallica lernen,“ sagt der Duisburger.

Seit 1995 hat Bursch in seiner Heimatstadt seinen Traum von einer eigenen Rock-Musikschule verwirklicht. Eigentlich sollten hier alle Instrumente der Rockmusik unterrichtet werden, das war aber angesichts leerer Stadtkassen der Ruhrgebietsstadt nicht zu finanzieren war, sagt Bursch, der auch an der Musikakademie in Remscheid Rockmusik unterrichtet. Seit einigen Jahren bringt er unter dem Label Euro-Rock bei internationalen Events in Duisburg junge Bands, die „auf dem Sprung über die Stadtgrenze sind“, aus verschiedenen Ländern Ost- und Westeuropas zusammen.

In der Rockszene hat es Bursch auch mit schwierigen Jugendlichen aus Problemfamilien zu tun. Schon in den 70er Jahren ist er in zu Jugendzentren umgewandelte Bunker gegangen, hat Workshops zu Blues-, Punk- und Heavy-Metal-Musik veranstaltet. Und so wurde aus Bursch einer der bekanntesten Vertreter einer kleinen Kulturrevolution des Musikmachens – zwischenzeitlich war es fast eine Massenbewegung von Gitarrenspielern, am sommerlichen Lagerfeuer zu klampfen.

Noch heute scheut sich der 55-Jährige nicht, mit den Jugendlichen Videoaufzeichnungen von Rockgitarristen wie Limp Bizkit anzuschauen, um ihre Bewegungen vor dem Spiegel zu imitieren. Bursch will, dass seine Schüler Spaß am Gitarrenspiel haben, nicht Elite fördern. Er ist sich auch bewusst, dass er von manchen Leuten belächelt wird, weil er auf den CDs, die seinen Büchern beiliegen, Songs betont einfach spielt und singt. Aber seine Schüler danken es ihm.

Aus der Zeit als Rockmusiker mit seiner Band „Bröselmaschine“ stammen die engen Kontakte zur deutschen Musikszene: Helge Schneider bediente in den 70er Jahren die Keyboards bei Bröselmaschine. Wenn Wolfgang Niedecken bei ihm anruft, spielt Bursch auch mal als Studiogitarrist bei BAP mit. Mit BAP und den Scorpions hat er ein eigenes Notenbuch herausgebracht. Als Solokünstler oder mit seiner All-Star-Band gibt er selbst nur noch gelegentlich Benefiz-Konzerte .

Zurück in seinem zum Garten hin geöffneten Wohnzimmer greift sich Bursch das vorderste von unzähligen klassischen und modernen Saiteninstrumenten, die um einen offenen Kamin herumgruppiert sind. Und dann spielt er ein paar Akkorde auf der Martin-Gitarre, die seinen Namen trägt. Natürlich ist er mächtig stolz darauf, mit den ganz Großen der Rock- und Popgeschichte in einem Atemzug genannt zu werden.

Liebevoll streichelt er den Hals der Gitarre und deutet eine Drehung der Wirbel an, bei deren Gestaltung er mitwirken konnte. Eigentlich wolle Bursch ja nur eine Martingitarre zum 50. Geburtstag seiner Frau in Auftrag gegeben. Doch die Geschäftsführung der Martin Company bekam heraus, wer da bei ihnen eine Gitarre bestellte. Kurzerhand wurde Bursch Namensträger und Mitgestalter einer eigenen Ausgabe der Martingitarre in Deutschland – eine transatlantische Imagepflege.