Asse nicht ganz dicht

Das Atommüllendlager bei Wolfenbüttel hat ausgedient und wird mit Salzstaub verschlossen. Das Einsickern von Wasser sehen die Betreiber gelassen: „Das ist in Gottes Natur ganz normal“

Von Reimar Paul

Der Förderkorb rumpelt nach unten, mit einer Geschwindigkeit von zehn Metern pro Sekunde. Irgendwo schrillt eine Glocke. Das wacklige Gefährt bremst ab, dann öffnet sich die schwere Gittertür, und die Besucher stolpern in eine unterirdische, etwa zehn Meter hohe Halle. Die wuchtigen Wände und Decken aus Salzgestein schimmern im trüben Neonlicht.

490 Meter tief liegt die oberste Sohle im Bergwerk Asse II bei Wolfenbüttel, das jetzt geschlossen wird. Von 1909 bis 1964 förderten Bergleute hier Kali- und Steinsalz, 1965 erwarb die Bundesregierung die Grube und übertrug sie der „Gesellschaft für Strahlenforschung“. 1967 brachten Lastwagen die ersten Tonnen mit radioaktivem Abfall, in den Jahren danach wurden insgesamt 125.000 Fässer mit schwach- und 1.300 Fässer mit mittelradioaktivem Atommüll eingelagert – ab 1974 per Versturztechnik. Dabei kippten Schaufelradlader die Tonnen mit Atommüll einfach über Abhänge auf tiefer gelegene Sohlen.

Ein riesiges Rohr pustet feinen Salzstaub in einen Hohlraum von der Größe eines Kirchenschiffs. 120 Tonnen des weißen Pulvers rieseln jeden Tag auf die am Boden lagernden Atommüllfässer herunter. Ingenieur Jürgen Möller, der die Gäste durch das Bergwerk führt, formt seine Hände zu einem Trichter, um den Lärm des Gebläses zu übertönen. „Wir machen die Asse für alle Zeiten dicht“, schreit er gegen den Lärm an.

Die 2,5 Millionen Tonnen Salzstaub, die in Güterwaggons vom ehemaligen Kali-Bergwerk Ronnenberg bei Hannover herbeigeschafft und in die 150 Kammern der Asse geblasen werden, sollen nur die erste Barriere gegen die Strahlung sein. Mit wechselnden Schichten aus Asphalt und Schotter, aus Beton und Bitumen wollen die 120 verbliebenen Beschäftigten das Bergwerk in den kommenden Jahren füllen.

Auf einer Sohle 650 Meter unter der Erde plätschert es. Schläuche leiten Flüssigkeit in ein Becken – Salzlauge, die schon seit Jahren aus unbekannter Quelle ins Bergwerk dringt. Zwölfeinhalb Kubikmeter sind es jeden Tag. Bereits 1906 war es im benachbarten Schacht Asse I zu einem Wassereinbruch gekommen, in dessen Folge die Grube voll lief und aufgegeben werden musste.

Ingenieur Möller sieht in den Laugenzuflüssen kein allzu großes Problem. „Das ist in Gottes Natur ganz normal, dass Wasser in einen Salzstock läuft“, sagt er frohgemut. Eine chemische Barriere aus Magnesium-Chlorid, das schwerer ist als das Natrium-Chlorid in der Salzlösung und an dessen genauer Konzentration die Wissenschaftler derzeit tüfteln, werde die Zuflüsse schon stoppen.

Bürgerinitiativen aus der Region bewerten die eindringende Flüssigkeit anders. Sie sprechen von einem „Absaufen“ der Asse. Die Gesellschaft für Strahlenforschung, die inzwischen „Forschungszentrum für Umwelt und Gesundheit“ heißt, hat immer wieder versichert, ein „sicheres und wartungsfreies Bergwerk“ zu hinterlassen. Die Bürgerinitiativen bezweifeln das. Während das Forschungszentrum die Stilllegung still und leise nach dem Bergrecht abwickeln möchte, fordern die Atomgegner ein atomrechtliches Verfahren, bei dem eine Öffentlichkeitsbeteiligung vorgeschrieben wäre. Nur wenn die Bevölkerung den Betreibern und Behörden auf die Finger sehe, werde auch sicher gearbeitet, sagen sie.