„Ruhm und Ehre der Waffen-SS“ straflos

Der Bundesgerichtshof kennzeichnet die in Nazi- und rechtsextremen Kreisen gebräuchliche Parole als Fantasiegebilde, dessen Verwendung nicht strafbar ist. Der Vorsitzende des Zentralrats der Juden, Paul Spiegel, nennt Urteil „nicht nachvollziehbar“

VON CHRISTIAN RATH

Der in rechtsradikalen Kreisen gebräuchliche Slogan „Ruhm und Ehre der Waffen-SS“ ist nicht als NS-Parole strafbar. Dies entschied gestern der Bundesgerichtshof. Es handele sich um eine Fantasieparole, die Originalparolen nicht genügend ähnele.

Die beiden Angeklagten gehören zur Karlsruher Kameradschaft. Sie besprachen im Oktober 2001 einen Anrufbeantworter des „Nationalen Infotelefons Karlsruhe“. Die Veranstaltungshinweise endeten mit den Worten: „Also ‚Ruhm und Ehre der Waffen-SS‘ und sichert euch einen Platz im Karlsruher Bus.“

Staatsanwaltschaft und Gerichte waren unsicher, wie sie die Parole „Ruhm und Ehre der Waffen-SS“ werten sollen. Das Oberlandesgericht Karlsruhe setzte zunächst eine Verurteilung wegen „Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen“ durch. Der BGH lehnte dies gestern ab.

Der Fall ist schwierig zu entscheiden, weil es zu NS-Zeiten nie eine derartige Losung gegeben hat. Das OLG argumentiert deshalb damit, dass der heutige Slogan „Ruhm und Ehre“ einer Parole der Hitlerjugend („Blut und Ehre“) metrisch und phonetisch stark ähnele. „Das in beiden Fällen einsilbige erste Wort wird auch durch denselben Vokal ‚u‘ geprägt“, heißt es in der OLG-Entscheidung. Die Begriffe „Ruhm“ und „Blut“ vermittelten beide glorifizierende Symbolgehalte, denen durch die Propaganda in der NS-Zeit erhebliche Bedeutung zukam, so das OLG.

Die OLG-Richter stützten sich dabei auf eine Änderung des maßgeblichen Paragrafen 86 a im Strafgesetzbuch. 1994 war das Verbot von NS-Kennzeichen durch folgende Formulierung ergänzt worden: „Den in Satz 1 genannten Kennzeichen stehen solche gleich, die ihnen zum Verwechseln ähneln.“ Diese Bestimmung musste der BGH nun erstmals auslegen und kam zu dem Schluss, dass hier „keine hinreichende Ähnlichkeit“ mit realen NS-Parolen bestehe.

Dies gelte sowohl für die HJ-Parole „Blut und Ehre“ wie auch für die Losung der Waffen-SS „Unsere Ehre heißt Treue“. Der heutige Slogan „Ruhm und Ehre der Waffen-SS“ sei eine „Fantasieparole“, die nur den Anschein einer NS-Parole erweckt. Das sei jedoch nicht strafbar, sagte der Vorsitzende Richter Klaus Tolksdorf.

Paul Spiegel, der Vorsitzende des Zentralrats der Juden, bezeichnete das Urteil gestern als „unglaublich“ und „nicht nachvollziehbar“. Man könne sich leicht vorstellen, welche Gefühle damit bei den Opfern des Nazi-Terrors verletzt werden. Generalbundesanwalt Kay Nehm forderte den Gesetzgeber zur Prüfung auf, ob eine Strafbarkeitslücke vorliegt.

Allerdings war erst in diesem Frühjahr das Strafgesetzbuch verschärft worden. Seitdem kann auch die Verherrlichung der NS-Herrschaft als Volksverhetzung bestraft werden. Dies könnte auch die Losung „Ruhm und Ehre der Waffen-SS“ erfassen. Der BGH musste sich damit aber nicht befassen, weil die Tat bereits im Jahr 2001, also vor der jüngsten Verschärfung, stattfand. (Az.: 3 StR 60/05)