DIE ERWARTUNGEN AN DIE STAMMZELLENFORSCHUNG SIND ÜBERZOGEN
: Verfrühtes Heilsversprechen

Die an der Harvard-Universität entwickelte Methode zur Herstellung von embryonalen Stammzellen ist keine Alternative zum Klonen. Weder werden mit ihr die ethischen Einwände beseitigt, noch sind die dort hergestellten Zellen für den Einsatz am Menschen geeignet. Ist die Forschung bei dem Versuch, embryonale Stammzellen für den heilenden Einsatz am Menschen tauglich zu machen, einen großen Schritt weiter gekommen? Sogar dies zu behaupten, ist schon eine Übertreibung.

Sowohl das therapeutische Klonen als auch die Harvard-Zellen sind noch weit davon entfernt, Heilserwartungen zu erfüllen. Es steht ja selbst noch in Frage, ob voll entwicklungsfähige embryonale Stammzellen überhaupt jemals ohne gravierende, vielleicht sogar tödliche Nebenwirkungen im Medizineralltag genutzt werden können.

Den Forschern kann diesmal nicht – wie so oft zuvor – vorgehalten werden, dass sie mit Übertreibungen an die Öffentlichkeit gegangen sind. Sie sind auch nicht verantwortlich dafür, dass etwa im Berliner Tagesspiegel von einer „Sensation bei Forschung mit Stammzellen“ zu lesen war und dass die Hoffnung geweckt wurde, es könnten moralisch und ethisch saubere Stammzellen hergestellt werden. Das Harvard-Team hat bei der Vorstellung seiner Forschung deutlich darauf hingewiesen, dass seine Methode keine Alternative zum Klonen sei. Seine Zellen können in absehbarer Zeit nur genutzt werden, um die molekularen Mechanismen der Zellumprogrammierung besser zu verstehen.

Vorerst wissen die Forscher selbst noch nicht einmal, welche Inhaltsstoffe Haut- in Stammzellen verwandelt haben. Vielleicht ist dafür ja gerade die „überflüssige“ DNA aus den embryonalen Stammzellen verantwortlich, mit denen die Hautzellen verschmolzen wurden – und die sie jetzt versuchen wieder loszuwerden. Sollte das der Fall sein, dann endet der ganze Forschungsansatz in der Sackgasse. Denn ohne die Zusatzchromosomen gebe es somit mit der Harvard-Methode auch keine embryonalen Stammzellen. Und mit den 46 zusätzlichen Chromosomen ist die Zelle untauglich für die therapeutische Nutzung. WOLFGANG LÖHR