Rettung fürs Raumschiff

Utopische Visionen für den steinernen Koloss: Eine Ausstellung zeigt, wie sich Berliner Architekten die Zukunft des abrissbedrohten ICC vorstellen

VON VERONIKA DE HAAS

Kaum 26 Jahre alt und schon reif für die Abrissbirne? Die Zukunft des einst begeistert eröffneten Internationalen Congress Centrums (ICC) ist zwar noch ungewiss, doch der Plan seiner Beseitigung hat schon jetzt viele Befürworter gefunden. Der Bund Deutscher Architekten Berlin (BDA) stört sich nicht so sehr an diesen Kahlschlagplänen; er möchte vielmehr eine breitere Diskussion darüber anstoßen. Deswegen rief er Berliner Architekten auf, Vorschläge und Ideen für die Nutzung des Veranstaltungszentrums zu entwickeln. Sie sind nun in der Ausstellung „ICC Weiterdenken“ in der Galerie des Vereins zu begutachten.

Im Gegensatz zu dem betont liberal auftretenden BDA stoßen die Abrissgedanken den meisten Architekten, die sich an der Ausstellung beteiligen, sauer auf: In ihren Skizzen und Plänen kritisieren sie den lieblosen Umgang mit den architektonischen Ressourcen der Stadt und machen sich in oft ironischer Weise daran, alternative Zukunftsvisionen für das monumentale Gebäude zu entwerfen. Das Architektenduo Krutke und Römer etwa wirbt für eine sportliche Umnutzung: Klettern, golfen, Ski fahren und sogar surfen könne man in dem Riesenbau. Die Gruppe der Urbanitekken mit ihrem großen Herz für „ungeliebte Architektur“ verpflanzt das ICC gleich und gibt ihm eine neue Heimat direkt gegenüber einem anderen Stiefkind der Stadt, dem Palast der Republik. Auf dem dann freien Gelände am Funkturm könne ein „modernes Seniorenschloss Funkturmpalais“ entstehen – ein Seitenhieb auf die Idee der Rekonstruktion, beispielsweise des Stadtschlosses.

Für die Renaissance eines romantisch aufgeladenen Ruinengedankens plädiert hingegen Marco Zürn vom Büro ZZ. Wenn Berlin nicht in der Lage sei, sich um sein Vorzeigeobjekt von einst zu kümmern, so solle man es einfach stehen lassen, sodann in grünen Stoff einhüllen und erst Gras, besser noch: Schlingpflanzen über die Sache wachsen lassen. Das trage auch „zur Verbesserung des Stadtklimas“ bei.

Noch ist das ICC am Funkturm in seiner Monumentalität ein greifbarer Beweis dafür, dass die 70er-Jahre in Westberlin Zeiten waren, in denen prunkhafter Gigantismus die Frage der nachhaltigen Rentabilität überstrahlte. Eine Milliarde Mark war in das Prestigeprojekt mit seinen großzügigen Foyers, den 80 Tagungssälen und den hochmodernen Bühnen-, Klima- und Belüftungsanlagen geflossen. Doch nur etwa zehn Prozent der Fläche des ICC können tatsächlich vermarktet werden, die Wartungs- und Instandhaltungskosten sind exorbitant hoch und der Sanierungsbedarf ist inzwischen riesig. Das geeinte Berlin ist pleite und darauf bedacht, Probleme auf die preiswerteste Art und Weise zu lösen. Sie lautet für den Kongresskoloss nach Berechnungen des Hamburger Architekturbüros Gerkan, Marg und Partner: Abriss und anschließender Neubau eines funktionaleren Kongressgebäudes.

Die Bearbeitungen des Themas durch die Architekten in der BDA-Ausstellung in Science-Fiction-Manier, als stadtplanerische Utopie oder ironisch angehauchte Fantasterei mögen sich einer Umsetzung in der Realität zwar entziehen. Jedoch unterstützen sie ideell die Forderung des Architektenbunds (im Falle des ICC aber auch allgemein) nach einer Öffnung der eindimensional betriebenen Baupolitik in Berlin gegenüber architektonisch wichtigen Zeitzeugen.

Die Ausstellung ist noch bis zum 15. September in der BDA-Galerie, Mommsenstraße 64 zu sehen. Montags, mittwochs und donnerstags 10–15 Uhr sowie nach telefonischer Vereinbarung