Schöne Impulse

Die Erkenntnis liegt im Medium selbst: Mit der Ausstellung „Gute Aussichten – Junge Deutsche Fotografie 2005/2006“ eröffnete in Berlin der letzte Akt des „1st Berlin Photography Festival“

VON BRIGITTE WERNEBURG

Der letzte Akt des ersten „Berlin Photography Festival“ findet im Museum für Fotografie statt. Ist sein Titel ein gutes Omen, sollten sich dessen Initiatoren auf ein zweites Festival im nächsten Jahr freuen dürfen. „Gute Aussichten“ heißt die Ausstellung mit „Junger Deutscher Fotografie“ in der Ruinenromantik des Kaisersaals der Jebensstraße 12. Die Arbeiten überraschen in ihren unterschiedlichen Formaten und Ausführungen. Alles – vom klassischen Farbabzug über Computerausdrucke, Leuchtkästen, Diasec-Großformate bis hin zur Fotokopie, zum Künstlerbuch, zur DVD, mithin zum Film und schließlich zur reinen Wortarbeit – darf unter Fotografie firmieren. In dieser erstaunlich liberalen Praxis scheint endlich die Bedeutung der Fotografie für die gesamte heute bekannte Bildproduktion auf.

Damit liefert „Gute Aussichten“ zum Ende des Festivals doch noch eine gute Antwort auf dessen leitmotivische Frage, wie denn Erkenntnis durch Fotografie möglich sei. Der Eröffnungsakt des Festivals am 23. September hatte sie leider in allzu bekannter Manier mit dem dokumentarischen Ansatz des Bildreporters beantwortet. Dass Erkenntnis nicht nur in dem vor Ort aufgenommenen Gegenstand, sondern im Medium selbst und seinem heute höchst komplexen Gebrauch liegt, war in der Ausstellung „After the Fact“ selten zu beobachten.

„Gute Aussichten“ ist ein bundesweiter Hochschulwettbewerb für Absolventen des Fachbereichs Fotografie, der vor einem Jahr aus der Taufe gehoben wurde und Berufsanfänger dabei unterstützen will, ihren Weg in die Öffentlichkeit und in den Kunstbetrieb zu finden. Mit Andreas Gursky in der Jury und der Unterstützung von Spex holte sich die Initiatorin, die Fotokuratorin Josefine Raab, die richtigen Partner ins Boot, damit es im Licht einer breiten öffentlichen Aufmerksamkeit an Fahrt gewinne. Die Ausstellung fungiert als Aufhänger für das eigentliche Anliegen, die Vernetzung junge Fotografen mit Galerien, Museen, Redaktionen, Verlagen, Agenturen wie Sammlern. Darin ähnelt das Konzept von „Gute Aussichten“ dem des „1st Berlin Photography Festival“. Auch die hier engagierten Institutionen wie Künstlerhaus Bethanien, Neue Gesellschaft für Bildende Kunst, Neuer Berliner Kunstverein, c/o Berlin, Transmediale und Helmut-Newton-Stiftung zielen mit einem Reigen von Ausstellungen nicht nur auf die Öffentlichkeit. Ihr Hauptaugenmerk gilt der Vernetzung der Fotografen, des publizistischen und institutionellen Apparats wie der fotografiefördernden Kultureinrichtungen untereinander. Ein Meeting Place im Haus von c/o Berlin, Mappensichtungstermine, und eine Festival-Akademie mit Workshops und Lectures, all diese Aktivitäten in der Eröffnungswoche dokumentierten den Wunsch, über das Vorbild des „Mois de la photo“, der letztes Jahr seine Berliner Premiere feierte, hinauszugehen.

Vor fünf Jahren schon konstituierte sich der eingetragene Verein „Berlin Photography Festival“, in der Erwartung, die Hauptstadt glänze bald mit einem „Deutschen Centrum für Photographie“ – eine, wie sich herausstellte, unbegründete Hoffnung. Mittlerweile darf die Kunststadt Berlin auch ohne hohes C als ein Zentrum für Fotografie gelten. So ist es zu erklären, dass auch Institutionen, die gar nicht direkt mit dem Festival kooperierten, entscheidende Impulse lieferten.

Wie etwa das Goethe-Institut, das zunächst wenig bekannte Fotografie und Fotografen nach Berlin holte: Im eigenen Haus setzte „Gesichter der Überlebens – Raut Pusaran, Hayat Pusaran“ der Bilderflut nach der Tsunami-Katastrophe die Geschichte von Einzelnen entgegen. Und auf dem internationalen Foto-Seminar des Hauses konnte dann der Kurator der Ausstellung, Alexander Supartono, persönlich über sein Konzept Auskunft geben. Mit Hendro Wiyanto aus Indonesien, Alex Moh aus Malaysia, Gilbert Hage aus dem Libanon oder Nikos Iordanou aus Zypern begegnete man hier Fotografen, Ausstellungsmachern, Kuratoren und Kritikern aus Ländern, die als weiße Flecken auf der Weltkarte der Fotografie gelten. Die Vorstellung ihrer Arbeit war eine weitere und mit die interessanteste Antwort auf die Fragen nach dem Erkenntnispotenzial der Fotografie.

Das Goethe-Institut schickt auch zwei im Rahmen des Festivals präsentierte Ausstellungen in die weite Welt: die „Deutschlandbilder“-Ausstellung der Agentur Ostkreuz und eben „Gute Aussichten“. Die junge deutsche Fotografie wird in Rabat, Washington, Casablanca und Algier unter anderem mit der lapidaren Serie „Schauinsland – Deutsche Aussichtspunkte“ von Henning Rogge oder Kathi Schröders fotokopierter und collagierter Wandarbeit „Suche nach Stiller“ zu sehen sein.

„Gute Aussichten“, bis 11. Dezember, Katalog 34,90 Euro