„Die Linken wollen nur Macht“

Oscar Olivera, Sprecher einer Bürgerinitiative aus Cochabamba, unterstützt den Sozialisten Evo Morales trotz Vorbehalten. Denn eine Niederlage wäre katastrophal

taz: Herr Olivera, könnten die Wahlen eine Wende für Bolivien bedeuten?

Oscar Olivera: Zunächst: Die Bevölkerung aht keine Neuwahlen gefordert. Seit 2000 gehen die Menschen für die Erdgas-Nationalisierung und eine Verfassunggebende Versammlung, also ein anderes politisches System, auf die Straße. Die Wahlen wurden einberufen, um diese Mobilisierung zu bremsen.

Was erhoffen Sie sich von den Wahlen?

Wir wollen das Monopol der Traditionsparteien beseitigen. Es ist auch ein Konflikt zwischen den Basisbewegungen und der Rechten, also den Unternehmern von Santa Cruz, den Ölmultis, der US-Botschaft und den rechten Parteien. Wir wollen die Zeit bis Januar zum Kräftesammeln nutzen und dann unsere Forderungen durchsetzen, egal wer Präsident ist.

Aber unter Evo Morales wäre das doch einfacher, oder?

Wahrscheinlich. Wir sind für eine kritische Unterstützung der MAS. Eine Niederlage der MAS wäre auch unsere Niederlage, das wäre katastrophal.

Wie bewerten Sie die MAS?

Sie ist das Vehikel von Morales und seinem Umfeld, einiger Intellektueller, einiger Sprecher sozialer Bewegungen, nicht aber das Ergebnis einer partizipativen strategischen Diskussion. Es handelt sich um eine normale Partei, wo gemacht wird, was der Chef sagt. In letzter Zeit sind viele Berater aus anderen Parteien dazugestoßen. Vor allem will die MAS Macht, sie wird aber keine neue Politik machen.

Was ist Ihre Kritik an den Spitzenkandidaten?

In den kritischsten Momenten hat Morales gezaudert. Letztes Jahr hat er das Gasreferendum von Präsident Mesa unterstützt, als wir gesagt haben, das ist eine Falle. Er ist für die Umwandlung der Verträge mit den Multis, die laut Verfassungsgericht illegal sind und deswegen annulliert werden müssten. Sein Vizekandidat, der Soziologe Álvaro García Linares, hat sich früher für den Sturz eines ausgrenzenden, rassistischen Systems eingesetzt, doch jetzt redet er von einem „andinen Kapitalismus“. Es gibt also keine Klarheit.

Und bei den sozialen Bewegungen?

Bei uns auch nicht, das ist ein Prozess. Klar ist nur das Ziel.

INTERVIEW: GERHARD DILGER