Die Gefahr kommt aus dem Nebenstrom

Passivraucher leben gefährlich: Krebsexperten legen Daten über die Belastung in verqualmten Innenräumen vor

Kaum ein Gasgemisch ist komplexer und gefährlicher als Tabakrauch. Er besteht aus über 4.800 Substanzen, von denen über 70 nachgewiesenermaßen giftig und krebserregend sind. Mediziner und Gesundheitspolitiker werden daher nicht müde, vor den gesundheitsschädlichen Auswirkungen des Rauchens zu warnen. In jüngerer Zeit mehren sich zudem die Hinweise darauf, dass Passivraucher ähnlich gefährdet sind wie die Raucher selbst. Neue Nahrung bekommt die These durch eine Studie des Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ), in der erstmals entsprechende Daten für den deutschen Raum vorgestellt werden.

Die Studienergebnisse lassen laut Martina Pötschke-Langer von der Stabsstelle Krebsprävention beim DKFZ keinen Zweifel daran, dass es sich beim Tabakrauch in Innenräumen nicht nur um eine Belästigung handle, sondern um „eine Gesundheitsgefährdung mit Todesfolgen“. Demnach sterben hierzulande 260 Nichtraucher an passivrauchbedingtem Lungenkrebs, bei Herzerkrankungen liegt die Todesfallquote bei 2.140, bei Schlaganfällen sind es 770. Insgesamt sterben mehr als 3.300 Nichtraucher an den Folgen des Passivrauchens. „Das sind“, wie Pötschke-Langer warnt, „mehr Todesfälle als durch illegale Drogen, Asbest, BSE und Sars zusammen.“

Hinzu kommen zahlreiche Erkrankungen, die zwar nicht zum Tode, dafür aber zu einer enormen finanziellen Belastung der sozialen Gemeinschaft und ihrer medizinischen Versorgungssysteme führen. Neben Erkrankungen der Atemwege gehören auch Augenbrennen, Kopfschmerzen, Schwindelanfälle und eine erhöhte Infektanfälligkeit zu den typischen Folgeerscheinungen des passiven Tabakkonsums.

Besonders schwer wiegt, dass gerade Kinder und Babys zu den Hauptopfern des Passivrauchens zählen. Über 170.000 Neugeborene werden bereits im Mutterleib den Schadstoffen des Tabakrauchs ausgesetzt, etwa zwei Drittel aller Sechs- bis Dreizehnjährigen leben in einem Haushalt, in dem mindestens eine Person raucht. Das passive Inhalieren des Tabakqualms kann bei Säuglingen zum plötzlichen Kindstod führen. Etwa 60 Babys sterben jährlich, weil jemand im Haushalt raucht, oder durch vorgeburtliche Belastungen, weil die Mutter während der Schwangerschaft nicht von der Zigarette lassen konnte.

Die enormen Schäden und Risiken durch das Passivrauchen verwundern nicht, wenn man die physikalischen und chemischen Hintergründe betrachtet. Denn zwar ist es der Raucher selbst, der direkt an der Zigarette zieht, doch für den Außenstehenden bleiben trotzdem noch genug Schadstoffe übrig. Auch wenn der ausgeatmete Qualm weniger problematisch ist, weil er ja bereits durch die Lungen des Rauchers gefiltert wurde. Dafür aber ist der Nebenstromrauch, der beim Verglimmen der Zigarette zwischen den Zügen entsteht, umso gefährlicher. Er enthält zahlreiche Gifte wie etwa Ammoniak oder Stickoxid sowie die krebserregenden Stoffe Arsen, Cadmium und radioaktives Polonium. Dass bei der so genannten „Feinstaubdebatte“ bislang die Belastung der Innenräume durch das Rauchen ausgespart wurde, hält das DKFZ für „erstaunlich“. Dabei würden Laborexperimente belegen, dass schon das Abglimmen von drei Zigaretten mehr Feinstaub verbreitet als ein Dieselmotor.

Gründe genug also für die Heidelberger Forscher, ein Bundesgesetz für einen umfassenden Nichtraucherschutz in öffentlichen Räumen sowie ein kategorisches Rauchverbot in der Gastronomie zu fordern. Was bisher zum Schutz der Nichtraucher unternommen wird, sei „inakzeptabel“. In anderen europäischen Ländern sei man in dieser Hinsicht schon viel weiter als in Deutschland. JÖRG ZITTLAU

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