Polizeiprügel bleiben wohl ungesühnt

Polizisten verprügelten beim Besuch des US-Präsidenten den Palästinenser Khaled M. Seit vier Monaten verhandelt das Amtsgericht gegen fünf Beamte. Der Staatsanwalt fordert Freispruch – nach dem Motto „Im Zweifel für die Angeklagten“

VON PLUTONIA PLARRE

Fünf Polizisten, die angeklagt sind, einen harmlosen Demonstranten zusammengeschlagen zu haben, werden vermutlich ohne Strafe davonkommen. Annähernd vier Jahre nach dem Vorfall, der sich am 22. Mai 2002 ereignete, hat der Staatsanwalt gestern in dem Prozess gegen die Beamten Freispruch gefordert. Nicht weil er von der Unschuld der Polizisten überzeugt ist, sondern nach dem Grundsatz „Im Zweifel für die Angeklagten“. „Vieles spricht dafür, dass der Vorwurf im Kern zutrifft“, sagte der Anklagevertreter.

Die Ereignisse hatten am Rande des Berlin-Besuchs von US-Präsident George Bush ihren Lauf genommen. Es begann damit, dass sich der zierliche Palästinenser Khaled M. in Reinickendorf in der Scharnweberstraße mit einer Palästina-Fahne an der Wegstrecke des Präsidenten aufgebaut hatte. Einsam und verloren steht der Mann, der Badelatschen an den Füßen trägt, mit seiner Fahne da. Plötzlich brausen Polizisten auf Motorrädern heran. Mannschaftswagen folgen und stoppen neben dem Mann. Behelmte Uniformierte springen heraus, entreißen dem Demonstranten die Fahne und schlagen und treten auf ihn ein. Selbst dann noch, als er bereits am Boden liegt. Der Mann landet mit einem mehrfachen Armbruch und Prellungen im Krankenhaus. Aber das sind nur die äußeren Verletzungen. Bis heute ist der 37-jährige Mann von dem Erlebnis traumatisiert.

Obwohl Khaled M. umgehend gegen die uniformierten Schläger Strafanzeige erstattete, vergehen zwei Jahre, bis gegen fünf Beamte Anklage wegen gemeinschaftlicher gefährlicher Körperverletzung erhoben wird. Bis zum Prozessbeginn im September 2005 verstreichen weitere eineinhalb Jahre. Die Beweisaufnahme gestaltet sich schwierig. Viele Zeugen müssen gehört werden. Sie können sich zum Teil kaum noch an die Ereignisse erinnern und erzählen mitunter andere Dinge als bei der früheren polizeilichen Vernehmung.

Einzelne Passanten hatten laut Staatsanwalt gesehen, dass Khaled M. beim Wegreißen der Fahne keinerlei Widerstand geleistet habe und „regelrecht verprügelt“ worden sei. Mehrere Polizeizeugen wiederum hätten ausgesagt, „überhaupt nichts Unrechtes gesehen“ zu haben. Außer dass sich der Palästinenser „gewehrt und um sich geschlagen habe“.

Die Angeklagten selbst hatten sich vor Gericht nicht zu den Vorwürfen geäußert. Die Aussage von Khaled M. wertete der Staatsanwalt gestern mit den Worten: „Im Ergebnis war die Aussage durchaus glaubwürdig für mich.“

Khaled M. verfolgt den Prozess als Nebenkläger. Dessen Anwalt, Wolfgang Kaleck, war im Gegensatz zum Staatsanwalt der Meinung, dass kein individueller Schuldnachweis erbracht werden müsse, um die Angeklagten zu verurteilen. Schließlich hätten sie gemeinschaftlich gehandelt. Die Angeklagten hätten auf den friedlich am Straßenrand stehenden arabischen Bürger reagiert wie auf ein „rotes Tuch“. Ein blonder Deutscher mit einer Amerikafahne „wäre nie so behandelt worden“, ist Kaleck überzeugt.

Das Verfahren sei ein neuerlicher Beleg dafür, wie wichtig es sei, die uniformierten Einheiten mit Nummernschildern individuell zu kennzeichnen, so der Anwalt.

Die Bemerkung geht an die Adresse von Polizeipräsident Dieter Glietsch. Der hatte noch im September zur taz gesagt: „Mir ist in meiner über dreijährigen Dienstzeit in Berlin kein Fall bekannt geworden, in dem die Verurteilung eines Polizisten an einer nicht vorhandenen Kennzeichnung gescheitert ist.“