Schule auch für Flüchtlingskinder

Das Außenministerium hat den UNO-Sondergesandten für Bildung, Vernor Muñoz, zu einer Reise durch Schulen eingeladen, um Druck auf die Bundesländer auszuüben – sie sollen ihre Vorbehalte gegen die UNO-Kinderrechtskonvention aufgeben

AUS BERLIN CHRISTIAN FÜLLER

Wenn Vernor Muñoz Villalobos aufkreuzt, setzen alle ihr schönstes Lächeln auf. Der Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen (UNO) weiß damit umzugehen. „Das deutsche Bildungswesen ist auf der ganzen Welt anerkannt“, lobt der Professor aus Costa Rica. Es sei für ihn hoch interessant, das Zusammenspiel von Bund und Ländern bei Bildungsfragen zu studieren, schmeichelt der – so der volle englische Titel – „Special Rapporteur on the Right to Educaion“.

Trotzdem freuen sich nicht alle Gastgeber, dass Muñoz in Schulen und Kindergärten nachsieht, ob das Recht auf Bildung in Deutschland wirklich für alle Kinder erfüllt ist. Denn für die Deutschen ist das eine unangenehme Suche. Der Zusammenhang zwischen Herkunft und Bildungserfolg von Schülern ist fast nirgendwo auf der Welt so eng wie hierzulande. Vor allem ein anstößiges Merkmal gibt es – die durchschnittliche Wahrscheinlichkeit des Gymnasialbesuchs. Für einen Arztsohn ist sie, bei gleicher Leistung, viermal so hoch wie für ein Arbeiterkind. MigrantInnen liegen noch schlechter, sie geraten eher zufällig auf den Karriereweg zum Abitur. Aber warum hat man sich dann einen so unbequemen Gast geholt?

Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) betont, sie habe den „Special Rapporteur“ nicht eingeladen. Der Gesandte aus Genf wiederum legt Wert darauf, gebeten worden zu sein. Was wie ein Widerspruch aussieht, ist in Wahrheit keiner.

Denn es gibt eine ständige Einladung an die Hohe Beauftragte für die Menschenrechte, die Kanadierin Louise Arbour. Allerdings bricht kein UN-Gesandter aufs Geratewohl in ein Inspektionsland auf. Irgendjemand muss ein konkretes Programm für Vernor Muñoz Villalobos erarbeitet haben.

So ist es auch. Das Außenministerium bestätigte der taz, Muñoz eingeladen zu haben – und das wohl mit gutem Grund. Die Beamten um Joschka Fischer, in dessen Amtszeit der Besuch ausgehandelt wurde, wollten Druck auf die Bundesländer machen, endlich die Rechte von Flüchtlingskindern voll anzuerkennen.

Señor Muñoz kommt nicht allein wegen des Pisa-Debakels. „Der Stand der UN-Kinderrechtskonvention bereitet mir Sorge“, bestätigte der Zivilrechtler gegenüber Bundestagsabgeordneten – und sprach damit ein Thema an, das Menschenrechtsorganisationen wie Terre des hommes schlicht als Skandal werten (siehe Kasten).

In den Bundesländern kommt es immer wieder vor, dass jugendlichen Flüchtlingen zwischen 16 und 18 Jahren der Schulbesuch verwehrt wird – weil man sie kurzerhand als Erwachsene einstuft. Sogar jüngere Kinder sind betroffen. Ein 15-Jähriger aus Sierra Leone etwa wurde in Thüringen nicht zur Schule zugelassen und musste zeitweise im Kindergarten lernen. „Es hieß, die Lehrer hätten keine Zeit, mir immer alles extra zu erklären“, berichtete der inzwischen Volljährige. Illegale müssen sogar darauf hoffen, dass ein Rektor den Schulbesuch vor den Behörden verheimlicht.

Die Bundesregierung hat aber keine Handhabe gegen die Länder. Zwar hat sie sich durch die Ratifizierung der UNO-Kinderrechtskonvention verpflichtet, allen unter 18-Jährigen den Schulbesuch zu ermöglichen. Aber die Bundesländer haben einen politischen Vorbehalt dagegen erhoben. Und dem Bund sind die Hände gebunden, weil er keine Bildungskompetenzen hat.

Zumindest gibt es bei der Kinderrechtskonvention keinen Parteienstreit. „Alle Kinder und Jugendlichen müssten die Möglichkeit des Schulbesuchs bekommen – unabhängig von ihrem Status“, sagt die neue Vorsitzende der Kinderkommission des Bundestags, Michaela Noll (CDU). Die grüne bildungspolitische Sprecherin Priska Hinz ist „einfach froh, dass der UNO-Gesandte Munoz hier ist“. Damit die Länder ihren Widerstand endlich aufgeben.