Stammzellgesetz gefährdet Forschungsstandort

Wissenschaftler fordern eine Änderung des Stammzellgesetzes, damit auch mit neueren embryonalen Stammzelllinien geforscht werden kann

Die Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (BBAW) fordert eine Lockerung des Stammzellgesetzes. Mit der derzeitigen Rechtslage sei der Forschungsstandort Deutschland gefährdet, heißt es in einer Anfang der Woche veröffentlichten Studie zur „Stammzellforschung und Zelltherapie“.

Verfasst wurde die Studie von einer Arbeitsgruppe der BBAW, die von der Gaterslebener Stammzellforscherin Anna Wobus geleitet wurde. Die in dem Stammzellgesetz festgelegte Stichtagsregelung, die in Deutschland nur die Nutzung von embryonalen Stammzelllinien erlaubt, die vor dem 1. Januar 2002 hergestellt wurden, „wird zunehmend zum Forschungshindernis“, erklärte die Professorin vom Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung Gatersleben. „Der Forschungsstandort Deutschland ist gefährdet“, warnte Wobus eindringlich.

Derzeit existierten weltweit 414 menschliche embryonale Stammzelllinien, also Stammzellen, die bereits aus einem Embryo gewonnen und konserviert wurden. Davon dürften laut Gesetz in Deutschland lediglich 22 verwendet werden, erklärte Wobus, die als Mitglied der Zentralen Ethikommission für Stammzellforschung auch bei der Genehmigung von Foschungsprojekten beteiligt ist. Die Forschung mit embryonalen Stammzellen ist umstritten, weil für deren Gewinnung Embryonen zerstört werden müssen.

Statt einem festen Stichtag wie im Stammzellgesetz sprechen sich die Verfasser des Berichts für einen „nachlaufenden Stichtag“ aus. Dann könnte gelten, dass die Stammzellen ein halbes oder ein Jahr vor dem Antrag des Wissenschaftlers gewonnen worden sein müssten. Ethische Grundpositionen müssten damit nicht aufgegeben werden, argumentierte Wobus. „Deutschland begibt sich in die Isolation, obwohl hier Zellbiologie in Exzellenz stattfindet“, kritisierte auch der BBAW-Präsident, Günter Stock. Später werde Deutschland vieles im Galopp aufholen müssen.

Wobus geht davon aus, dass sich die Einstellung zur Forschung an Embryonen in der Bundesrepublik ändern werde, wenn es im Ausland erste therapeutische Erfolge gebe. Eine internationale Spitzenstellung attestierten die Wissenschaftler Deutschland bei der Forschung mit adulten Stammzellen.

Die Gewinnung von Stammzellen ist in Deutschland aufgrund des Embryonenschutzgesetzes verboten. In einem fraktionsübergreifenden Kompromiss hatte sich der Bundestag auf die Stichtagsregelung im Stammzellgesetz geeinigt. Bundesforschungsministerin Annette Schavan (CDU) hatte in der jüngsten Vergangenheit wiederholt betont, an diesem Kompromiss festhalten zu wollen.

Insgesamt hat das Robert-Koch-Institut (RKI) 18 Genehmigungen für den Import menschlicher embryonaler Stammzellen für Forschungsarbeiten erteilt. Die letzte erging vor wenigen Tagen an das Fraunhofer-Institut für biomedizinische Technik. Dabei sollen Veränderungen beim Einfrieren der Stammzellen für die Langzeitlagerung untersucht werden. WLF, EPD