Hoffnungsträger Europa

Der langjährige Balkankorrespondent Peter Fürst gibt in seinem Buch dem Präsidenten von Montenegro die Gelegenheit, seine Politik zu verteidigen. Das ist ungewöhnlich, aber außerordentlich sinnvoll

Seit kurzem ist auch die kleinste Republik des ehemaligen Jugoslawien unabhängig. Am 21. Mai stimmten die Montenegriner in einer Volksabstimmung so, wie sich ihre politische Führung das vorgestellt hatte. Dabei ließen sie sich weder vom hinhaltenden Widerstand Serbiens noch von Bedenken der Europäischen Union abhalten.

Der in Zürich arbeitende Journalist und langjährige Balkankorrespondent Peter Fürst hat in seinem Buch die Geschichte Montenegros und seine Stellung im ehemaligen Jugoslawien ausführlich beschrieben. Er gibt zudem dem Präsidenten des 650.000 Einwohner zählenden Landes Gelegenheit, seine Position darzustellen. Das Interview mit Milo Djukanović macht fast die Hälfte des Buches aus.

Das ist ungewöhnlich, aber es erweist es sich als durchaus sinnvoll. Denn der ehemals jüngste Staatschef eines europäischen Landes nimmt in nicht gekannter Offenheit dazu Stellung, wie sein Verhältnis zu dem ehemaligen Staatschef Slobodan Milošević gewesen ist und wie er danach zu der neuen serbischen Führung unter Vojislav Koštunica stand. Zudem spricht er über seine Freundschaft mit dem ehemaligen Premierminister Zoran Djindjić. Er benennt auch die politischen Pressionen der EU gegen seinen Unabhängigkeitskurs und wehrt sich gegen die Vorwürfe aus Belgrad, er selbst sei in Schmuggel und Kriminalität verwickelt.

Djukanović verteidigt das Recht seines Landes, aus dem jugoslawischen Staatenbund Serbien-Montenegro auszuscheiden. Warum sollte Montenegro anders behandelt werden als Mazedonien oder die anderen Staaten, fragt er. Immerhin habe die Badinter-Kommission der damaligen EG 1992 das Recht jeder Republik des ehemaligen Vielvölkerstaates bestätigt, das Schicksal in die eigene Hand zu nehmen. Er möchte Montenegro so schnell wie möglich in die EU führen. Nicht nur aus politischen, sondern auch aus wirtschaftlichen Gründen.

In Serbien existiere eine nationalistische Mehrheit, während in Montenegro endlich die Reformkräfte regierten. In Serbien herrsche immer noch eine nationalistische Fremdenfeindlichkeit, die in der Weigerung gipfele, Kriegsverbrecher an Den Haag auszuliefern. Seine Regierung dagegen habe die Minderheiten wie Albaner, Katholiken und Bosniaken vor den Übergriffen aus Serbien beschützt, sein Land habe während des Kosovokonflikts über 120.000 Flüchtlinge aufgenommen. Zudem hat sich Montenegro bei den Nachbarn Kroatien sowie Bosnien und Herzegowina wegen des Krieges 1991 bis 1995 entschuldigt, so Djukanović. Mit der Einführung des Euros und der Übernahme vieler Gesetze der EU stelle das Land seinen Reformwillen unter Beweis.

An die Adresse der EU gerichtet, fragt er, warum der EU-Politiker Javier Solana die nationalistische Mehrheit in Serbien unterstütze und nicht die Reformkräfte Montenegros. Das sei ein Fehler und stütze nur die Illusionen in Serbien, die alte Politik des großserbischen Traumes fortführen zu können. Damit habe die EU auch die serbisch-nationalistische Opposition in Montenegro gestärkt.

Peter Fürst hat mit diesem Buch Partei ergriffen, da Montnegros Unabhängigkeitsbewegung nicht ethnisch oder nationalistisch geprägt ist, sich nicht gegen die Nachbarn richtet, sondern die demokratische Bewegung des Balkan insgesamt befördert.

ERICH RATHFELDER

Peter Fürst: „Montenegro auf dem Weg nach Europa“. LIT Verlag, Wien 2005, 195 Seiten, 9,90 Euro