Die Stille nach dem Schuss

Im Griff der Gewalt: In „Shotgun Stories“ (Forum) macht die Vergangenheit drei Brüdern den Versuch, sich im Leben zurechtzufinden, unmöglich. Bleibt nur Rache

Ein Vater verlässt seine Familie. Seinen Söhnen hat er nie richtige Namen gegeben, sie heißen Son, Boy, Kid. Vom Trinker wird er zum Christen, er heiratet wieder und zeugt vier weitere Söhne. Während es die neue Familie zu einigem Wohlstand bringt, lernen die Zurückgelassenen zu hassen. Bei der Beerdigung des Vaters geraten die Halbbrüder aneinander. Es entspinnt sich eine Rachegeschichte um Mord und Vergeltung.

Jeff Nichols, dessen Spielfilmdebüt mit „Shotgun Stories“ vorliegt, entwickelt ein archaisches Szenario der Gewalt und siedelt es im Arkansas der Gegenwart an. Drei Brüder, die heruntergekommen wirken. Der eine lebt im Zelt, der andere in einem PKW, verwahrlost und apathisch. Die beiden ziehen in das Haus des Ältesten, Son, der auf seinem Rücken Wundmale trägt, von denen man nur erfährt, dass sie Einschusslöcher einer Schrotflinte sind. Die Brüder tragen schwer an ihrer Geschichte, nur im Beisammensein scheint sie erträglich zu werden. Son (überzeugend: Michael Shannon) drückt oft nur durch ein minimales Zusammenkneifen der Augenlieder seinen ganzen inneren Widerstreit aus; den Versuch, sich im Hier und Jetzt zurechtzufinden, obwohl er immer wieder zurückgerissen wird in seine unverarbeitete Vergangenheit. Seine Frau hat zusammen mit dem gemeinsamen Kind wieder mal das Haus verlassen, um ihn dazu zu bringen, sein Leben endlich in den Griff zu bekommen. Frauen tauchen in diesem Film nur spärlich auf. Sie kommen aus der Dunkelheit und verschwinden dahin zurück. Die Männer kämpfen derweil ihre Konflikte aus, in einer Vorbestimmtheit, die tragisches Ausmaß erreicht.

Wunderschöne, raue Landschaftsaufnahmen von Arkansas bilden den Hintergrund. In großen Cinemascope-Bildern entfaltet Nichols eine agrarische Romantik, die immer wieder durch Bilder sozialer Armut gebrochen wird. Es gibt Momente, da ist die Kamera fast dokumentarisch, wie sie an den Männern vorbeifährt, konzentriert auf Fischfang, Baumwollernte, harte, körperliche Arbeit. In anderen Einstellungen geht der Blick ganz nah an die Figur und studiert den Konflikt, den diese durchlebt. Da die hier dargestellten Menschen ihren Schmerz nicht zur Sprache bringen können, bricht er immer wieder durch den Körper aus. Die Kamera nimmt sich Zeit, die Bitterkeit in den Gesichtern zu zeigen. Nichols wendet sich bewusst gegen heroische Revenge-Storys. Die Gewalt diktiert die Spielregeln und hat die Protagonisten fest in der Hand.

Widerstand deutet sich nur bei einem der Brüder an, wenn dieser sich einer Prügelei entzieht und damit aber die Wut des Bruders auf sich zieht. Es muss einen Ausweg geben, darauf wartet man immer gespannter. Das Ende der Gewalt kommt dann überraschend, und auch wenn man nicht recht an ein Gelingen glauben mag, gönnt man den Übriggebliebenen doch ein bisschen Ruhe. REBECCA WILBERTZ

„Shotgun Stories“. Regie: Jeff Nichols. USA 2007, 92 Min. 14. 2., 16.30 Uhr, Delphi; 15. 2. 12.30 Uhr, Cinestar; 16. 2. 22.15 Uhr, Cubix; 17. 2., 17.30 Uhr, Arsenal