Sicherheit durch Kameras

Innensenator Nagel lobt Videoüberwachung im öffentlichen Raum und kündigt Ausbau an. Experten halten Kameras zur Verbrechensvermeidung dagegen für unsinnig. Kriminalitätsrate gesunken

Von Elke Spanner

Schon ehe belastbare Zahlen vorliegen, ist Innensenator Udo Nagel (parteilos) vom Erfolg der Videoüberwachung auf der Reeperbahn überzeugt. Die habe „viel gebracht“, beteuerte Nagel gestern bei der Vorstellung der polizeilichen Kriminalstatistik. Was genau, kann er allerdings erst Ende April berichten: Dann hat seine Behörde die Beobachtungen aus dem ersten Jahr ausgewertet. Schon jetzt kündigte Nagel aber an, die Überwachung weiter auszubauen.

Die Installation von Kameras, sagte Nagel, sei inzwischen unverzichtbares Werkzeug der Verbrechensbekämpfung geworden. So sei es anhand aufgezeichneter Bilder beispielsweise möglich gewesen, drei Serien von Vergewaltigungen an Hamburger Bahnhöfen aufzuklären. Nicht zuletzt dadurch stieg die Aufklärungsquote bei Vergewaltigung und schwerer sexueller Nötigung im vergangenen Jahr um fast acht Prozent an: In 76,7 Prozentder angezeigten Fälle wurde der Täter gefasst.

Wer sich aber wissenschaftlich mit der Videoüberwachung befasst, kommt zu anderen Ergebnissen als der Senator. Das kriminologische Institut der Uni Hamburg hat drei Jahre dazu geforscht. Projektleiter Nils Zurawski bezeichnete es gegenüber der taz als „unlauter“, dass Nagel die Kameras wegen der Verbrechensaufklärung lobt – dafür sind sie gesetzlich gar nicht zugelassen. Videokameras dürfen nur zur Verbrechensvermeidung aufgehängt werden – präventiv, sagt Zurawski, „wirken sie nachweislich nicht“. Das sei selbst an den Fällen abzulesen, die Nagel zur Verteidigung der Kameras zitiert: Zwar sei es ein „guter Zufall“, dass drei Vergewaltiger dank Video gefasst werden konnten. Die aber hätten sich ja offenkundig gerade nicht durch die Kameras von ihren Taten abhalten lassen.

In der Studie des Instituts, deren Abschlussbericht in der kommenden Woche vorliegen soll, sei auch deutlich geworden, dass die Überwachung das Sicherheitsgefühl der Bürger keinesfalls stärkt. Im Gegenteil, sagt Projektleiter Zurawski: Orte, an denen Kameras installiert sind, würden als besonders kontrollbedürftig und dadurch besonders unsicher empfunden. „Kameras erhöhen die Sicherheit unsicherer Orte nicht, sondern bestärken das Gefühl der Unsicherheit.“

Dem Innensenator zufolge können sich die Bewohner Hamburgs aber immer sicherer fühlen: So wurde 2006 die niedrigste Kriminalitätsrate seit 1983 registriert. 236.547 Delikte sind verzeichnet – 8.260 weniger als im Vorjahr. Die Aufklärungsquote stieg demnach auf rund 47 Prozent.