Wie die alte Scheune einmal Feuer fing

In seinem Buch „Alt ist was?“ lässt der bayerische SPD-Politiker Peter Paul Gantzer (68) ohne Not die Hosen runter

Es muss ein trister Wintertag gewesen sein, als sich der bayerische SPD-Politiker Peter Paul Gantzer entschloss, ein Buch zu schreiben. Wahrscheinlich saß er frustriert in seinem Amtszimmer im Landtag hoch über der Isar, das ihm zusteht, weil die SPD 2003 aus unerfindlichen Gründen seinem Wunsch nachgekommen war, ihn zum Vizepräsidenten zu machen. Er hatte wieder einmal nichts zu tun, weil die CSU lieber alles allein macht. Gerade war seine Sekretärin mit dem Pressespiegel herein gekommen, und wieder kam er darin nicht vor. Er dachte daran, dass viele seiner erneuten Kandidatur für den Landtag abhold waren, weil er schon 68 Jahre alt ist.

War er nicht mehrfacher Weltmeister im Formations-Fallschirmspringen? Hatte er sich seine Knie bei manch hartem Aufprall umsonst ruiniert? Hatte er in seinem Porsche nicht stets bella figura für die SPD gemacht? War es nicht er, der damals dem Grünen Otto Schily eine Heimstatt geboten hatte in seinem Stammbezirk München-Land? Undankbare Bande, schnarrte der Reserveoffizier und Honorarprofessor an der Bundeswehruniversität München: „Ich muss meine Berühmtheit noch mehren. Ich muss ein Buch schreiben – doch worüber, um Himmels willen?“, so sinnierte Gantzer.

Missmutig schaute er aus dem Fenster und sah hungrige Meisen in den Bäumen. Da fiel ihm eine Zote aus der Studentenzeit ein: „Helft den alten Vögeln.“ Das war’s: Ein Buch für die Alten einschließlich deren Sexualleben würde er verfassen, die sind ja eine Hauptzielgruppe der Bayern-SPD. Aber zur Gerontologie hat seine Partei schon fast alles gesagt. Sie ist bekannt dafür, dass sie kühn alle Themen besetzt, um in Bayern über 20 Prozent zu kommen: Flurbereinigung und Safer Sex, Götterdämmerung der CSU und Liebesleben der Landbevölkerung, Sodomie in der Biolandwirtschaft und, und, und.

Wieder war die Sekretärin herein- und herausgegangen. Gantzer sah ihr verdrossen nach. Da hatte er plötzlich die Kernthese: Die Frau ist eine einzige erogene Zone, der Mann hat nur eine.

„Ja“, dachte der Vizepräsident, „Das ist es! Um das Sexkapitel herum werde ich allerlei Statistiken und Untersuchungen gruppieren, etwa diese interessante Sache mit den Bienen, die, so wie ich, erst in hohem Alter zu Höchstleistungen fähig sind. Und zur Präsentation im Landtag werde ich meinen Freund, den Innenminister Günther Beckstein bitten, der demnächst trotz hohen Alters und Hörgerät Ministerpräsident wird. Dem tut meine Oldie-Offensive sicher gut. Ob der wohl noch Sex hat?“

Gantzer hat es tatsächlich getan, niemand konnte ihn zurückhalten („Alt ist was?“, Sequenz Medien Produktion, 167 Seiten). Die Kernthese von der männlichen Benachteiligung bei den erogenen Zonen steht auf Seite 147 im Kapitel „Sex in the Sixties“. Es enthält auch andere sensationelle Erkenntnisse: „Im Alter werden die Triebe weniger“; „Regelmäßiger Sex ersetzt den Arzt oder Apotheker“; „Für den Mann gibt es da bestimmte Tabletten“; und, nicht zu vergessen: das Problem der „trockenen Vagina“, gegen das Gantzer Testosteron empfiehlt.

Beckstein ging Gantzer tatsächlich auf den Leim und hob das Büchlein unerschrocken aus der Taufe – weil er nun mal zugesagte Termine auch einhalte, wie sein Sprecher schmallippig erklärte. Zu Gantzers Sex-Kapitel und seinem Bekenntnis, er brauche immer noch kein Viagra, gab sich der Ministerpräsident in spe freilich verschämt. Auf Grund seiner konservativen Einstellung spreche er über solche Sachen öffentlich nicht, sagte er.

Das gibt einen guten Slogan für den bald 70-jährigen Gantzer, der bei der Buchvorstellung frohgemut seine erneute Kandidatur für 2008 ankündigte: „Sozialdemokraten schreiben, worüber Schwarze nicht einmal reden.“ Wenn das nicht über die 20-Prozent-Hürde hilft …

MICHAEL STILLER