Die fetten Jahre sind vorbei

Weil Dicksein krank macht, stellt Horst Seehofer heute einen „nationalen Aktionsplan“ vor

VON COSIMA SCHMITT

Nun soll Schluss sein mit Hüftspeck und Schwabbelbäuchen: Mit einem „nationalen Aktionsplan“ will Verbraucherschutzminister Horst Seehofer (CSU) die Leibesfülle der Deutschen eindämmen. Heute möchte er seine Strategie im Kabinett vorstellen, morgen dann eine Regierungserklärung abgeben.

Seehofers Diätplan umfasst mehrere Ziele: Er wünscht sich mehr Vorsorge und Aufklärung. Kinder sollen sich mehr bewegen. Auch soll das Essen in Schulen, Firmenkantinen und Seniorenheimen gesünder werden. Sogar eine Richtmarke benennt der Minister: Bis 2020 soll die Zunahme der Zahl übergewichtiger Kinder gestoppt sein, bis 2020 soll sie merklich sinken.

So weit, so vage. Noch bleibt unklar, wie genau Seehofer erreichen will, dass Kids zum Apfel greifen statt zum Schokoriegel. Konkrete Gesetze seien nicht geplant, ließ der Minister verkünden. Offen ist auch, woher das Geld für neue Vorsorgeprogramme kommen soll. Brisanz gewinnen Seehofers Pläne also eher durch die markige Bezeichnung „nationaler Aktionsplan“. Er passt in eine Zeit, in der das Thema „dicke Kinder“ präsent ist wie selten. Unlängst veröffentlichte das Robert-Koch-Institut einen Kinder- und Jugendsurvey – den ersten dieser Art –, der vermeldete: 15 Prozent der Kids zwischen 3 und 17 Jahren sind übergewichtig, 6 Prozent sogar adipös, also fettleibig. Eine andere Studie bescheinigte den Deutschen hässliche Spitzenwerte im Ranking der dicksten Europäer.

Dabei ist, das bestätigte unlängst ein Fachkongress der Bundesärztekammer, die Problematik relativ klar: Ist ein Kind einmal zu dick, lässt sich das nur schwer ändern. Professionell betreute Diäten zeigen zwar oft kurzfristig Erfolge – über Jahre betrachtet aber verpuffen Abspeckprogramme meist wirkungslos. Reale Chancen auf eine dünnere Nation hätte Horst Seehofer also vor allem dann, wenn er den Anfängen wehren und die Prävention stärken würde.

Genau dabei aber erweisen sich derzeit andere Länder als kreativer. Großbritannien etwa erprobt gerade eine Art Ampel-Kennzeichnung für Lebensmittel. Grüne Punkte verweisen auf gesunde Kost, rote Punkte auf einen hohen Fett-, Zucker- oder Salzgehalt. Das Punktesystem soll nicht nur den Griff zur Chipstüte verleiden, es soll Verbrauchern auch die Wahl erleichtern: Etwa wenn sie aus einem Regal voller Fertiggerichte das gesündeste aussuchen wollen. Das im Januar eingeführte System ist noch freiwillig. Für den Fall aber, dass die Hersteller es kaum nutzen, hat die britische Regierung mit einer gesetzlichen Regelung gedroht.

Einen anderen Weg beschreitet Schweden. Hier ist Fernsehwerbung, die sich an Kinder unter zwölf Jahren richtet, generell verboten. Ein erwünschter Nebeneffekt: Die Lebensmittelbranche kann ihre Bonbons und Burger nicht via TV-Spot an den Nachwuchs bringen. Eine umfassende Untersuchung aber, welche Maßnahmen Kinder wirksam schlank halten, steht nach wie vor aus.