Über Geschmack lässt sich nicht streiten

Neue Qualitätskriterien sollen für gesundes und leckeres Mittagessen an den Ganztagsschulen sorgen. Nur an der Umsetzung hapert es noch. Denn Schulen und Eltern sollen die Catering-Firmen kontrollieren. Der Erfolg ist mäßig

Bei den Worten Schulmensa und Großküche läuft einem schon mal ein kalter Schauer den Rücken runter. Zu tief sitzen die Erinnerungen an stundenlang warm gehaltenes Kartoffelpüree aus der Tüte, das, auf einem tiefen Teller serviert, in Unmengen brauner Dosenpilz- und Formfleisch-Soße ertränkt wurde.

An den 407 Berliner Ganztagsgrundschulen gehören solche Geschichten angeblich der Vergangenheit an. Basierend auf dem Konzept der optimierten Mischkost haben die Vernetzungsstelle Schulverpflegung, die AOK und der Senat bereits 2003 die „Berliner Qualitätskriterien“ herausgebracht. Diese von Ernährungswissenschaftlern erstellten Empfehlungen werden Schulämtern, Caterern und Schulen bereitgestellt, damit den Schülern ein ausgewogenes Mittagessen vorgesetzt werden kann. In Kürze wird bereits die zweite, überarbeitete Version der Richtlinien erscheinen. Berlin ist das erste und bislang einzige Bundesland, das über Qualitätskriterien für Schulessen verfügt.

„Zehn von zwölf Bezirken berücksichtigen die Kriterien bereits bei der Vergabe von Catering-Aufträgen“, sagt Michael Jäger von der Vernetzungsstelle Schulverpflegung und fügt hinzu: „In wie vielen Schulen sie aber wirklich eingehalten werden, kann ich nicht sagen.“

Laut Qualitätskriterien soll ein Menü grundsätzlich aus Vorspeise, Hauptspeise und Nachtisch bestehen, wobei mindestens ein Rohkostanteil enthalten sein muss. Weitgehend verzichtet werden soll auf kennzeichnungspflichtige Zusatzstoffe und frittierte Speisen. Völlig tabu sind Innereien und Formfleisch. Mindestens 10 Prozent der Lebensmittel müssen aus ökologischer Landwirtschaft stammen. Um den Nährwert zu erhalten, darf keine der zubereiteten Speisen länger als drei Stunden stehen.

„Mit den Qualitätskriterien ist der erste Schritt schon getan“, sagt Jäger. „Nun müssen wir dafür sorgen, dass die Vorgaben eingehalten werden und das nach den Kriterien zubereitete Essen auch wirklich auf dem Teller landet.“ Um die Umsetzung zu kontrollieren, müssten letztendlich die Schulen kontrollieren, ob sich die jeweiligen Caterer an die Richtlinien halten.

Für Eltern gibt es zudem die Möglichkeit, an dem Diskussionsforum der Vernetzungsstelle teilzunehmen. Unter www.vernetzungsstelle-berlin.de können sich Interessierte über Kosten und Qualität der Schulverpflegung austauschen. „Wir haben an der Judith-Kerr-Grundschule enorme Probleme im Hinblick auf die Qualität des Essens und die hygienischen Bedingungen des Caterers“, schreibt dort ein Elternteil. Trotz massiver Kritik der Elternschaft sei es bisher nicht gelungen, den Essenslieferanten zu wechseln.

Besser scheint die Situation an der Werbellinsee-Grundschule in Schöneberg zu sein. Zumindest der zwölfjährige Oscar sieht das so. „Eigentlich schmeckt es immer gut“, erzählt er. Zwar gibt es nur ein Menü, dafür haben die Kinder Mitbestimmungsrecht. „Wir sammeln in der Klasse Vorschläge, was es öfter geben soll, und bringen die dann zum Essensausschuss“, erklärt der Sechstklässler. Alle, die regelmäßig am Mittagessen teilnehmen, dürfen mit entscheiden. Obwohl er auch die „gesunden Sachen“, wie Salat und Obst mag, ist sein Lieblingsessen Pizza. Über Geschmack lässt sich eben nicht streiten. NANA GERRITZEN