Rechte Drohungen im Knast

Neonazis hetzen gegen den Antifa Christian S., der in Tegel einsitzt. Gefängnisverwaltung: Eine Bedrohungssituation sei nicht bekannt. Am Mittwoch wird der Berufungsprozess gegen S., in dem Polizeizeugen nur vermummt auftreten, fortgesetzt

VON JÖRG MEYER

Dass Christian S. von der Justizvollzugsanstalt (JVA) Hakenfelde in den Knast Tegel verlegt worden war, haben seine Familie und Freunde erst aus dem Internet erfahren. Denn ein in Hakenfelde einsitzender Neonazi hatte Wind davon bekommen und einen hämischen Text im linken Nachrichtenportal indymedia geschrieben. Für die in Tegel sitzenden Nazis sei Christian S. „ein gefundenes Fressen“, heißt es dort. Und: Er solle sich lieber einen Strick nehmen, um sich Schmerzen zu ersparen. Der Text endet mit den Worten „Viel Spaß Kameraden!!! Good Bye Christian S.“. S. sitzt dreieinhalb Jahre ab, weil er bei Protesten gegen Neonazis am 1. Mai 2004 in Berlin ein Auto als Barrikade angezündet hatte.

Als die Drohung bekannt wurde, wurde Christian S. auf Antrag seiner Anwältin aus einer Sechserzelle in eine Einzelzelle verlegt. Bislang sei von Seiten der Nazis noch nichts passiert, berichtet S. in einem Besucherraum in der JVA Tegel.

Eine Bedrohungssituation sei ihm nicht bekannt, sagte Lars Hoffmann, Sprecher der JVA Tegel. „Die Rechten wagen sich hier nicht allzu sehr aus der Deckung.“ Viele Konflikte, die „draußen“ real seien, spielten im Knast keine Rolle, „da Probleme im Zusammenhang mit der Haft überwiegen“. Man sei aber auch darauf angewiesen, dass S. sage, wenn er sich bedroht fühle.

Unter anderem sitzt in Tegel Michael „Lunikoff“ Regener, der Sänger der verbotenen Neonazikultband „Landser“. Regener war 2003 wegen Volksverhetzung und Rädelsführerschaft in einer kriminellen Vereinigung zu einer Haftstrafe von mehr als drei Jahren verurteilt worden.

Die Verlegung von S. Ende Juli verlief mysteriös. In einer Nacht-und-Nebel-Aktion wurde er in die JVA Tegel gebracht, nachdem er zunächst zum offenen Vollzug in der JVA Hakenfelde war. Danach hatte seine Frau mehr als eine Woche lang keinen Kontakt zu ihm.

Nach eigenen Angaben hatten Beamte dem 37-Jährigen verweigert, seine Anwältin oder seine Frau über die Verlegung zu informieren. Die Situation selber beschreibt er als brutal. „Ich wurde in die Zentrale in Hakenfelde gerufen.“ Dort sei er von Beamten „regelrecht angefallen“ und in den „Bunker“, eine leere Sicherheitszelle, gesteckt worden. Es bestehe wegen offener Verfahren Fluchtgefahr, habe man ihm gesagt. Eines davon ist ein Berufungsprozess, der derzeit vor dem Landgericht verhandelt wird, das andere ein Ermittlungsverfahren wegen Plakatierens.

Nachdem über eine Woche kein Kontakt zu Christian S. bestand, rief Benedikt Lux, demokratiepolitischer Sprecher der Grünen, im Tegeler Gefängnis an. Danach konnte S. seine Frau kontaktieren. Für Lux ist nicht nachvollziehbar, dass S. nach Tegel verlegt wurde. Schließlich habe er sich, wie für den offenen Vollzug gefordert, selbst gestellt, sagte er der taz. „Außerdem war zum Zeitpunkt seiner Ladung nach Hakenfelde bekannt, dass er offene Verfahren hat.“

Das Berufungsverfahren vor dem Landgericht wird heute fortgesetzt. Berliner Zivilbeamte, die regelmäßig Antifas auf Reisen begleiten, wollen gesehen haben, wie S. im Februar 2005 in Dresden bei Protesten gegen eine Naziaufmarsch eine Flasche auf Polizisten geworfen hat. Christian S. war wegen Landfriedensbruch zu einem Jahr Haft verurteilt worden. Seine Strafe gilt indes mit einer elfmonatigen U-Haft als abgesessen. Er ist dennoch in Berufung gegangen. Der Prozess, der sich seit Anfang des Jahres hinzieht, gleicht stellenweise einer Karnevalssitzung. Die Polizeizeugen treten mit Nummern statt Namen kodiert und bis zur Unkenntlichkeit verkleidet vor Gericht auf.