Der klavierspielende Pragmatiker

Zwei neue Verfassungsrichter hatte die SPD vorgeschlagen – Johannes Masing und Horst Dreier –, aber nur einer kam durch. Der Freiburger Rechtsprofessor Masing wird am Freitag im Bundesrat gewählt, während der Würzburger Dreier warten muss. Wegen seiner Ansichten zu Menschenwürde, Folter und Embryonenschutz hat die Union ein Veto eingelegt.

Angesichts dieses Streits hatte Masing in den letzten Wochen wenig Aufmerksamkeit erfahren. Zu Unrecht, denn er wird ein sehr wichtiger Verfassungsrichter werden. Das liegt schon an den Themen, die er ab April zu bearbeiten hat: Pressefreiheit, Demonstrationsrecht und Datenschutz. Eines seiner ersten Verfahren wird zum Beispiel der Streit um die sogenannte Vorratsdatenspeicherung sein. Darf der Staat die Telefonfirmen zwingen, alle Verbindungsdaten von Telefon- und Internetverkehr ein halbes Jahr aufzuheben – falls die Polizei sie mal brauchen könnte? Mehrere Kläger halten das für verfassungswidrig. Masing wird im Ersten Senat das Urteil vorbereiten. Er gilt als Pragmatiker mit liberalen Grundsätzen, da ist vieles möglich.

Der 49-Jährige wird Nachfolger von Wolfgang Hoffmann-Riem. Aber während jener als renommierter Medienrechtler perfekt für diesen Posten vorbereitet war, hat sich Masing zuletzt vor allem mit der Regulierung von Strom-, Gas- und Wasserversorgung beschäftigt. Doch Hoffmann-Riem hält viel von seinen Nachfolger; er hat ihn Justizministerin Brigitte Zypries (SPD) empfohlen.

Für Masing sprach wohl vor allem, dass er die entscheidenden Voraussetzungen mitbringt, um in Karlsruhe einflussreich zu sein. Ihm wird nachgesagt, dass er scharf argumentieren kann und bei harten Auseinandersetzungen standfest bleibt. Als Masing 2005 die Bundesregierung beim Streit um den Europäischen Haftbefehl in Karlsruhe vertrat, hatte er jedoch keinen Erfolg. Das deutsche Gesetz musste überarbeitet werden.

Masing hat auch Philosophie und Klavier studiert, macht heute aber nur noch in der Freizeit Kammermusik. Von 1999 bis 2007 war der Jurist Rechtsprofessor in Augsburg und kehrte erst im Vorjahr nach Freiburg zurück. Dort hatte er seine Karriere als Schüler von Ernst-Wolfgang Boeckenförde begonnen, einem der wichtigsten deutschen Rechtswissenschaftler. Auch Boeckenförde war von der SPD einst nach Karlsruhe geschickt worden. 1992 bis 1996 war Masing dort sein Mitarbeiter.

Die Union hat gegen Masing keine Einwände. Ihr war es wichtig, ihn trotz des Streits um Dreier zu wählen – so kann sie demonstrieren, dass sie nicht alle SPD-Vorschläge für Karlsruhe blockiert. CHRISTIAN RATH