Kommentar Finnisches AKW: Milliardengrab für Siemens

Ein Supervorzeige-AKW wollte Siemens in Finnland bauen - sicher und innovativ. Doch die Reaktorbauer Siemens und Areva haben zuviel versprochen. Die Kosten laufen aus dem Ruder.

Für Europas Atomindustrie ist es das wichtigste Projekt der letzten 20 Jahre. Im finnischen Olkiluoto wollten die Reaktorbauer Siemens und Areva der Welt beweisen, dass sich Atomkraft rechnet, dass sie sicher, innovativ und schnell zu realisieren ist. In Olkiluoto wird nicht weniger als das modernste und leistungsstärkste Atomkraftwerk der Welt gebaut, der erste europäische Druckwasserreaktor der dritten Generation, für den die Zunft jahrzehntelang getrommelt hat. Hier sollte das Supervorzeige-AKW entstehen.

Doch das droht zum Milliardengrab zu werden. Schon ein halbes Jahr nach Baubeginn im Sommer 2005 mussten die ersten Probleme eingeräumt werden. Inzwischen ist von Mehrkosten bis zu 1,5 Milliarden Euro die Rede und von einer Verzögerung um volle zwei Jahre. Jeder weiß: Dabei wird es nicht bleiben. Olkiluoto hat das Zeug zu einem neuen Kalkar. Die finnische Auftraggeberin spricht offen von grundsätzlichen Problemen mit den vertraglich zugesicherten anspruchsvollen Standards. Auf Deutsch: Die Sicherheitstechnik läuft aus dem Ruder. Dazu kommen gravierende Kommunikationsprobleme mit unzähligen Subunternehmen.

Das alles klingt vertraut: Kostenexplosionen und Bauverzögerungen sind mit der Atomkraft verknüpft wie Wasserwerfer und Störfälle. Der große Unterschied: In Olkiluoto wurde der Bau zu festen Preisen und Terminen vereinbart. Jeder Euro Mehrkosten, jede Stunde Bauverzögerung muss die Atomindustrie bezahlen. Siemens-Chef Peter Löscher ist zu Recht alarmiert.

Während der Öffentlichkeit eine Renaissance der Atomkraft eingeredet wird, zeigt sich das Scheitern der Branche, sobald es um konkrete Projekte geht. Indien, China und Russland bauen ihre eigenen AKWs mit einer Technologie, die bei uns nicht genehmigungsfähig wäre. Der angeblich sichere Reaktor mit moderner westlicher Technologie ist aber weder finanzierbar noch zeitgerecht zu bauen. Ein Fiasko in Olkiluoto, wie es sich jetzt abzeichnet, wäre das Ende der Zukunftsträume für Europas Atomindustrie.

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Manfred Kriener, Jahrgang 1953, ist Umweltjournalist und Autor in Berlin. Themenschwerpunkte: Klima, Umwelt, Landwirtschaft sowie Essen & Trinken. Kriener war elf Jahre lang taz-Ökologieredakteur, danach Gründungschefredakteur des Slow-Food-Magazins und des Umweltmagazins zeozwei.. Zuletzt erschienen: "Leckerland ist abgebrannt - Ernährungslügen und der rasante Wandel der Esskultur". Das Buch schaffte es in die Spiegel-Bestsellerliste und wurde von Umweltministerin Svenja Schulze in der taz vorgestellt. Kriener arbeitet im Journalistenbüro www.textetage.com in Kreuzberg.

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