Stiftungen boomen in unsicheren Zeiten

Richtig und sinnvoll stiften ist gar nicht so einfach. Das zeigt sich beim Deutschen Stiftungstag in Frankfurt/Main. Trotzdem gibt es einen Schwung an Neugründungen: Allein im Jahr 2007 entstanden mehr als 1.000 neue Stiftungen

FRANKFURT/M. taz ■ Stiften ist „ein Luxusproblem“, meint Karsten Timmer von der Beratungsagentur panta rhei. Dabei könne „viel Geld verschwendet oder nicht gut ausgegeben werden“. Der Experte referierte am Wochenende beim Stiftungstag 2008 „Biete Wandel – Suche Geld“ in der Frankfurter Nordweststadt. Adressaten waren „Personen, die einen Teil ihres Vermögens für einen progressiven gesellschaftlichen Wandel einsetzen wollen“.

Alle Gäste im Saal hatten schon gespendet, etliche auch Stiftungserfahrung. Knapp 20 gemeinnützige Stiftungen stellten sich vor, große wie die von terre des hommes und medico international und kleine wie der Neuling taz Panter Stiftung.

Stiftungen, früher vorwiegend zum Seelenheil und Gedenken an ihre Gründer eingerichtet, haben wieder Konjunktur. 2007 zählte der Bundesverband Deutscher Stiftungen 1.134 Neugründungen, ein Plus von 26 Prozent. Insgesamt gibt es in Deutschland derzeit rund 15.000 Stiftungen, Tendenz steigend.

Timmer wies darauf hin, dass sich potenzielle Stifter genau überlegen sollten, was sie auch zukünftig mit ihrem Geld erreichen wollen. Die meisten Stiftungen leben fort, wenn die Stifter längst tot sind. Sie dürfen ihr Vermögen nicht aufbrauchen, sondern nur die Erträge ausschütten. Die älteste deutsche Stiftung ist 900 Jahre alt.

Wer sich von seinem Geld trennt und es dem Gemeinwohl überantwortet, tritt gesetzlich hinter den Zweck zurück. Der Staat verteidigt fortan den Stifterwillen auch gegen den Geber selbst. Timmer: „Das Geld gehört dem Zweck.“ Der lässt sich im Nachhinein nicht mehr ändern: „Die Kohle ist weg.“ Wer sich vertue, verantworte auch posthum, „dass 1.000 Jahre lang miserable Projekte gefördert werden“. Timmer nannte als Beispiel eine Hamburger Gründung aus dem 19. Jahrhundert, die auch noch heute gehalten ist, wollene Unterwäsche für Seemannswitwen und -waisen zu beschaffen.

Stiftungen sterben nur, wenn sie ihr Vermögen verspekulieren, verlieren oder der Stiftungszweck völlig obsolet wird wie zum Beispiel die Unterstützung Gefangener in der DDR. Wer stifte, müsse sich vorher fragen, ob das Objekt der Zuwendung diese wirklich brauchen könne: „Möchte das Problem überhaupt von Ihnen gelöst werden?“ Nachteil der Stiftungen ist ihre undemokratische Struktur, meint Timmer, ihr Vorteil, dass sie „frei von politischen Moden und Zwängen“ überdauern können. Wer weniger als 500.000 Euro zu verschenken habe, stifte besser entweder an bestehende Einrichtungen zu oder spare durch Treuhänder Verwaltungskosten.

Dass Stiftungen bei Firmen und vermögenden Einzelpersonen immer beliebter werden, erklärt der Bundesverband zum einen mit der „Aufbruchstimmung des 21. Jahrhunderts“ und wachsendem „bürgerschaftlichem Engagement“ gerade in unsicheren Zeiten. Zum anderen mit der durchschlagenden Wirkung eines 2007 verabschiedeten Gesetzes, das gemeinnützige Stiftungen steuerlich begünstigt. Stiftungen, die zum Zwecke der Versorgung der eigenen Familie gegründet werden, müssen dagegen alle 30 Jahre Erbschaftsteuer zahlen. HEIDE PLATEN