Frühere Sklavin wird neue Indigenen-Chefin

Paraguays Präsident Lugo besetzt erstmals hohes Amt mit einer Ureinwohnerin. Das findet nicht nur Zustimmung

BUENOS AIRES taz ■ Kaum im Amt, macht Paraguays Präsident Fernando Lugo Nägel mit Köpfen. Mit Margarita Mbywangi ernannte er eine Indigena zur Vorsitzenden des nationalen Indigenen-Instituts INDI. Mit ihr wird erstmals in der Geschichte des südamerikanischen Landes eine Ureinwohnerin für die Belange der indigenen Völker zuständig sein.

Zwar hat das Amt nicht den Rang eines Ministeriums, ist aber in der Administration hoch angesiedelt. Die 46-jährige Mutter von drei Kindern gehört dem Stamm der Aché an. Als Kazikin, einem traditionellen Stammesoberhaupt, verfügt sie über eine 16-jährige Erfahrung in ihrer Heimatprovinz Canindeyú. Bei den letzten Wahlen kandidierte sie als Senatorin, verpasste aber den Einzug ins Parlament.

„Als ich vier Jahre alt war, haben mich die Weißen entführt. Ich wurde mehrfach an Familien von Großgrundbesitzern verkauft. Die haben mich zur Schule geschickt. Deswegen kann ich heute lesen und schreiben“, so Margarita Mbywangi über sich selbst. Die Sklaverei war in Paraguay zwar bereits 1844 abgeschafft worden, aber es existierte ein legales System von Kauf und Verkauf von Indianern und Schwarzen.

Die Ernennung von Margarita Mbywangi ist umstritten. Schon als Präsident Lugo sie Ende Juli als Vorsitzende des Instituto Paraguayo del Indígena vorgeschlagen hatte, regte sich Kritik. Angehörige verschiedener Ethnien protestierten Anfang August vor dem Parteigebäude des Regierungsbündnisses von Präsident Lugo gegen ihre Ernennung. Kritisiert wurde, dass gegen Mbywangi Ermittlungsverfahren wegen Landbesetzung, Drogenanbau und Holzschmuggel laufen. Doch das dürfte mehr Vorwand als Vorwurf sein. Rivalität unter den verschiedenen Indigenenstämmen ist auch in Paraguay weit verbreitet. Mbywangi, einmal im Amt, könnte sich mehr für die Belange des eigenen Stammes einsetzen, so die Befürchtung. Nach Schätzungen leben heute noch gut 1.000 Aché-Indianer im paraguayischen Grenzgebiet zu Brasilien. Der Stamm der Aché wird zum Volk Guaraní gezählt. In Paraguay gibt es über 40 Stämme. Die indigene Bevölkerung wird auf rund 90.000 Menschen geschätzt. Von den gut 6 Millionen Paraguayern sind 90 Prozent Mestizen spanisch-indianischer Abstammung.

Die zukünftige Institutsvorsitzende hat die Eigenversorgung mit Nahrungsmitteln und die rechtliche Absicherung des Landbesitzes aller indigenen Gemeinschaften als eine ihrer Hauptaufgaben bezeichnet. Noch immer leben 80 Prozent der Indigenen auf Ländereien, die ihnen zur Nutzung überlassen sind, aber nur die Hälfte von ihnen verfügt über offizielle Besitztitel. JÜRGEN VOGT