Staatsausgaben in Berlin: Konjunktur für Korruption

Der Senat wird Aufträge künftig schneller und unbürokratischer vergeben. Vor allem der regionale Mittelstand soll davon profitieren. Die Grünen befürchten, dass das zu mehr Bestechung führt.

Anbauen, umbauen, ausbauen: Hauptsache raus mit der Kohle! Bild: dpa

Die 632 Millionen Euro aus dem Konjunkturprogramm II des Bundes fließen in Berlin zu 65 Prozent in die Sanierung von Schulen, Hochschulen und Kindertagesstätten. Gut 10 Prozent gehen an Krankenhäuser und die Charité. Mit 17 Prozent werden sonstige Gebäude saniert, etwa Bezirksämter, Museen oder Bäder. Von den restlichen gut 7 Prozent verbessert das Land den Lärmschutz an Straßen und die Computer-Infrastruktur in den Behörden. Bis Mitte dieses Jahres sollen Aufträge im Wert von 250 Millionen Euro herausgegeben werden, der Rest bis Ende dieses Jahres.

Der Senat hat die Regeln gelockert, die für Behörden beim Einkauf von Waren und der Sanierung von Gebäuden gelten. Solche Aufträge sollen künftig schneller an Unternehmen vergeben werden. "Die geplanten Investitionen des Konjunkturpakets müssen schnell und unbürokratisch in die Unternehmen fließen, um tatsächlich spürbare Effekte auf dem Arbeitsmarkt zu bewirken", sagte Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD) am Dienstag nach der wöchentlichen Sitzung des Senates. Die Änderung ist bis Ende 2010 befristet und soll sicherstellen, dass die Gelder aus dem Konjunkturprogramm II schnell genug ausgegeben werden können.

Bisher müssen Behörden alle größeren Aufträge europaweit ausschreiben. Daraufhin können sich beliebig viele Unternehmen für den Auftrag bewerben. Dieses Verfahren hat zwei Ziele: Es soll Verschwendung vermeiden, indem so viele Unternehmen wie möglich um die Aufträge konkurrieren. Außerdem verringert das Verfahren auch die Gefahr, dass ein Unternehmen einen Auftrag nur deshalb bekommen, weil es den zuständigen Beamten besticht.

Ab sofort wird es zum Beispiel mehr so genannte beschränkte Ausschreibungen geben. Dabei trifft die Behörde zunächst eine Vorauswahl der Unternehmen, die sich für einen Auftrag bewerben können. Andere Firmen bleiben ausgeschlossen. Bisher sind solche beschränkten Ausschreibungen nur bei Aufträgen bis zu 100.000 Euro möglich - in Zukunft auch bei Aufträgen mit einem Wert bis zu einer Million Euro. Es wird auch viel mehr freihändige Vergaben geben, bei denen eine Behörde frei mit Unternehmen über den Umfang eines Auftrages und über den Preis verhandelt. Bisher war das nur bei Aufträgen bis 5.000 Euro möglich, nun gilt das für Aufträge bis 100.000 Euro. Die neuen Regeln gelten nicht nur für den Senat, sondern auch für Bezirke, Universitäten und landeseigene Unternehmen.

Um Korruption zu vermeiden, sollen laut Junge-Reyer die Aufträge an Unternehmen gehen, die noch nicht wegen Gesetzesverstößen aufgefallen sind. Außerdem soll die Entscheidung transparent und nachvollziehbar sein. Dadurch soll es auffallen, wenn ein Unternehmen besonders viele Aufträge erhält.

Die Grünen überzeugt das nicht. "Je intransparenter das Verfahren, desto größer ist die Korruptionsgefahr und desto teurer wird das Vorhaben", kritisiert der Finanzpolitiker Jochen Esser. Er findet: "Vergabeverfahren ohne öffentliche Ausschreibung sind noch anfälliger für Preistreiberei, weil letztlich gute Beziehungen über den Zuschlag entscheiden können."

Junge-Reyer will durch die Entscheidung auch mehr Einfluss darauf nehmen, welche Unternehmen von den Aufträgen profitieren: "Wir werden besonders darauf achten, mittelständische Unternehmen bei der Auftragsvergabe zu berücksichtigen". Der SPD-Abgeordnete Ralf Hillenberg hatte bereits zuvor im Ausschuss für Bauen und Wohnen des Abgeordnetenhauses gesagt, man könne "davon ausgehen, dass die meisten Maßnahmen in dieser Region bleiben". Es werde dagegen die Ausnahme bleiben, dass Firmen "aus dem Erzgebirge, aus dem Saarland oder aus Norddeutschland" auf die Aufträge mitbieten können. Auch Uwe Doering, dem parlamentarischen Geschäftsführer der Linksfraktion, ist es wichtig, "dass so viele Aufträge wie möglich in der Region verbleiben und nicht irgendwo in Sachsen, Bayern oder sonst wo angesiedelt sind". Andernfalls "hätten wir von dieser Maßnahme letztlich auch nichts, außer dass die Gebäude saniert sind".

Die Bauindustrie ist zuversichtlich, die Auftragsflut zu bewältigen. In Berlin werden derzeit rund 8 Milliarden Euro pro Jahr verbaut, so Wolf Burkhard Wenkel, Hauptgeschäftsführer der Fachgemeinschaft Bau Berlin-Brandenburg: "Da sind 632 Millionen Euro nicht das ganz große Ding." Zumal wegen der Wirtschaftskrise weniger Aufträge von Privatleuten und Unternehmen kommen. Das Konjunkturprogramm könne in Berlin rund 4.000 Arbeitsplätze am Bau für zwei Jahre sichern: "Wir werden einen geringen Abbau der Arbeitslosigkeit haben, die Preise werden stabil bleiben, und die Baubetriebe können dieses Volumen abarbeiten."

Ökologische Zuschlagskriterien bei den Ausschreibungen wird es bei der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung auch weiterhin nur in wenigen Fällen geben. Für die anderen Fälle ist laut Junge-Reyer eine Änderung des Vergabegesetzes notwendig. Daran arbeitet Wirtschaftssenator Harald Wolf (Linkspartei) noch.

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