Ämter lassen Kinder nicht spielen

Wenn Eltern arbeitslos sind, vergeben die Behörden in der Regel nur Halbtagsplätze in Kitas. Bildungspolitiker wollen neue Regelung.

Kinder in der Kita am Brandenburger Tor Bild: dpa

Die soziale Grenze in den Berliner Kitas verläuft zwischen zwei und drei Uhr. Kinder, deren Eltern nicht berufstätig sind, werden nämlich häufig schon nach dem Vormittagsprogramm abgeholt. Denn diese Familien bekommen von den Jugendämtern nur einen Betreuungsbedarf von 5 Stunden zugestanden - es sei denn, sie können soziale oder familiäre Probleme nachweisen. Doch das ist für viele eine Zumutung, die sie nicht auf sich nehmen. "Die Eltern müssten sich nackig machen", sagt INA-Kindergartenleiterin Heidi Eisner. Deshalb profitieren gerade Kinder aus sozial schwächeren Familien oft in geringerem Maße von der Frühförderung, die ihnen laut Bildungsprogramm zuteil werden soll. Bildungspolitiker aller Fraktionen fordern nun, das Recht auf Kitas auszudehnen.

"Jedes Kind hat ein Recht auf Bildung, also muss die Prüfung abgeschafft werden", meint die bildungspolitische Sprecherin der Partei Die Linke, Margrit Barth. Einige Bezirke würden die Prüfung zu rigide auslegen, was dem politischen Ziel widerspreche, dass möglichst viele Kinder Kitas besuchen. Die familienpolitische Sprecherin der CDU, Emine Demirbüken-Wegner, pflichtet der politischen Gegnerin bei: Wie lange Kinder in den Kindergarten gingen, dürfe nicht davon abhängig gemacht werden, ob die Eltern berufstätig seien. Im Namen der Grünen fordert die bildungspolitische Sprecherin, Elfi Jantzen, dass alle Kinder ungeprüft bis zu 7 Stunden die Kita besuchen dürfen. SPD und FDP wollen dagegen die Prüfung nicht ganz abschaffen, sondern vereinheitlichen und wenn nötig großzügiger auslegen.

Im vergangenen Jahr besuchten 105.000 Berliner Kinder eine Kindertagesstätte, 44 Prozent davon ganztags. Während die Zahl der Ganztagesplätze im Jahre 2006 leicht zurückgegangen ist, hat sich der Anteil der Kinder, die halbtags betreut werden, von 10 auf 13 Prozent erhöht.

Im INA-Kindergarten in der Bülowstraße haben die verschärften Kriterien dazu geführt, dass fast nur noch Halbtags-Verträge abgeschlossen werden, erzählt die Leiterin Heidi Eisner. "Unsere Eltern sind fast alle Hartz-IV-Empfänger, viele ohne Schulabschluss, manche können nicht mal lesen und schreiben." Dass die Leute zu Hause seien, hieße deshalb nicht, dass sie sich intensiver um ihre Kinder kümmern könnten - im Gegenteil. "Der Aufenthalt in der Kita ist für die Kinder geradezu lebenswichtig." Zudem spricht nur ein Bruchteil der 160 Kinder in der Einrichtung von Haus aus Deutsch. Sie besäßen deshalb eigentlich besonderen sprachlichen Förderbedarf. "Doch das wird bei den meisten Eltern nicht berücksichtigt", berichtet Eisner über Erfahrungen aus Elterngesprächen. Diese Eltern besäßen einfach keine starke Lobby.

Am Wochenende haben sich allerdings über 300 Eltern in einem offenen Brief an Bildungssenator Jürgen Zöllner (SPD) gewandt und gefordert, die Bedarfsprüfung abzuschaffen. Bereits Anfang Mai hatten die Bildungspolitiker im Ausschuss des Abgeordnetenhauses einen Antrag an das Haus Zöllner verabschiedet, in dem sie fordern, den Zugang zu Kitas und Horten zu erleichtern und zu vereinheitlichen. Seitdem prüft die Senatsverwaltung den Antrag. Die lange Bearbeitungsdauer dürfte auch mit den veranschlagten Kosten zusammenhängen. Linke-Politikerin Barth rechnet mit 20 Millionen Euro, die zusätzlich nötig wären, wenn die Bedarfsprüfung abgeschafft würde.

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