Justizgebaren: Bundeskriminalamt findet eigene Akten

Zum zweiten Mal suchen Ermittler in der Wohnung des Soziologen Andrej H. nach Beweisen für Terrorverdacht. Haftentscheidung fällt diese Woche.

In Adlerpose: Das Bundeskriminalamt Bild: Reuters

Vier Tage nach seiner Haftverschonung hat das Bundeskriminalamt am sonntag erneut die Wohnung des Soziologen Andrej H. durchsucht. Nach Angaben seiner Anwältin Christina Clemm haben die Beamten nach Beweismaterial in einer schwarzen Tüte gesucht. Darin hätten sich aber lediglich die Ermittlungsakten befunden.

Wie Clemm der taz sagte, habe es auch keinen Durchsuchungsbefehl für die Razzia gegeben. "Ich kann mir das nur als einen weiteren Versuch der Einschüchterung erklären", so Clemm. Durch die anhaltende Telefonüberwachung hätten die Ermittler offenbar mitbekommen, dass es am Sonntag ein Treffen zwischen ihrem Mandanten und den Anwälten geben sollte.

Wie berichtet, war gegen Andrej H. am 1. August ein Haftbefehl wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung erlassen worden. Seine Texte als Soziologe, so die Begründung, wiesen ähnliche "Schlagwörter" und "Phrasen" auf, wie sie auch die "militante gruppe" (mg) in ihren Bekennerschreiben verwende. Darüber hinaus soll H. zweimal Kontakt zu einer Person gehabt haben, die am 31. Juli zusammen mit zwei weiteren Beschuldigten in Brandenburg (Havel) bei einem versuchten Brandanschlag festgenommen wurde. Der "mg", gegen die als "terroristische Vereinigung" ermittelt wird, werden mehr als 20 Brandanschläge zur Last gelegt. Hinweise darauf, dass auch der Anschlag in Brandenburg der "mg" zuzurechnen ist, gibt es bislang nicht.

Für den grünen Fraktionschef Volker Ratzmann ist die neuerliche Durchsuchung "ein Beweis dafür, dass die Bundesanwaltschaft mit dem Rücken zur Wand steht". Ratzmann weiter: "Offenbar hat sie so wenig, dass sie neues Material brauchen, um ihre Beschwerde gegen die Haftverschonung zu begründen."

Tatsächlich hatte Generalbundesanwältin Monika Harms bereits am Mittwoch Beschwerde gegen die Entscheidung eingelegt, H. von der Untersuchungshaft zu verschonen. Einen Eilantrag, H. bis zur Entscheidung über die Beschwerde wieder in Haft zu nehmen, hatte der Bundesgerichtshof aber abgelehnt. Nächste Woche soll nun der Dritte Senat des Karlsruher Gerichts darüber entscheiden.

Wie sehr die Generalbundesanwältin unter Druck steht, ist ihrem ersten Interview zum Fall in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung zu entnehmen. Auf den Protest gegen die Festnahme H.s angesprochen, sagte Harms: "Der Ermittlungsrichter am Bundesgerichtshof erlässt keinen Haftbefehl nur aufgrund von wissenschaftlichen Veröffentlichungen."

Wenn sich aber ein Wissenschaftler in den Dienst kriminell agierender Leute stellte, so Harms weiter, "dann ist das genauso wenig ein neutrales Verhalten wie im Fall des Bankmitarbeiters, der mit der Abwicklung eines Transfers nach Luxemburg bei der Steuerhinterzienung hilft". Wie sich H. in den Dienst "kriminell agierender Leute" stellte, konnte oder wollte Harms nicht sagen.

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