Suchtmittel: Verbot löst sich in Rauch auf

Jugendliche können am Kiosk trotz Verbots ungehindert Alkohol und Zigaretten kaufen. Dies zeigt eine Studie des Bezirksamts Friedrichshain-Kreuzberg.

Leicht zu kriegen für junge Lungen Bild: AP

Um sich Zigaretten zu besorgen, müssen Jugendliche gar nicht den Automaten mit Mamas EC-Karte hinters Licht führen, sie können sich ihre Kippen ohne Probleme am Kiosk kaufen. 70 Prozent der 13- bis 15-jährigen Raucher wurden dabei noch nie nach ihrem Ausweis gefragt. Das ergab eine Studie im Auftrag des Bezirksamts Friedrichshain-Kreuzberg. "Das Sperren der Zigarettenautomaten ist nutzlos, wenn an den Kiosken unkontrolliert verkauft wird", kommentierte die Zahlen Knut Mildner-Spindler, Gesundheitsstadtrat des Bezirks. Für die Untersuchung, die von zwei Studentinnen der Gesundheitswissenschaften durchgeführt wurde, wurden im vergangenen Herbst 1.147 Kinder und Jugendliche zwischen 10 und 25 Jahren befragt.

Nur geringfügig besser sieht es in derselben Altersgruppe beim Alkohol aus: 64 Prozent von ihnen wird im Laden problemlos Bier über die Theke gereicht.

Die beiden Studentinnen untersuchten zudem die Umgebung von 21 Schulen in einem Radius von 250 Metern auf Werbung und Verkaufsstellen von Tabakprodukten und Alkoholika. Durchschnittlich sind es laut der Studie jeweils knapp 20 Läden, Werbeflächen sowie Zigarettenautomaten - auch in Sichtweite der Schuleingänge. Dies wäre ein klarer Verstoß gegen die freiwillige Selbstbeschränkung des Bundesverbands Deutscher Tabakwaren-Großhändler und Automatenaufsteller, der sich dazu verplichtet hat, im direkten Umfeld von Schulen und Jugendeinrichtungen keine Verkaufsgeräte aufzustellen oder weiterzubetreiben.

Johannes Spatz von der Plan- und Leitstelle für Gesundheit des Bezirks forderte erweiterte Maßnahmen von Bund und Ländern. Niedrige Preise, Werbung und unkontrollierter Verkauf von Tabak, Bier und Schnaps müssten unterbunden werden; "saftige Strafen" seien nötig für Kioskbetreiber, die Jugendlichen unerlaubt Rauschmittel verkaufen. "Man muss zu Bußgeldern greifen, sonst wird das Problem nicht ernst genommen", so der bekannte Anti-Tabak-Aktivist. Bislang seien bei Verstößen gegen das Jugendschutzgesetz lediglich Abmahnungen die Regel.

Zudem sprach sich Spatz für eine Lizenzvergabe an Tabak- und Alkoholhändler aus. "Das könnte bedeuten, dass rings um Schulen keine Lizenzen zum Verkauf vergeben werden" - oder diese entzogen werden könnten.

Konkreter Handlungsbedarf bestehe in Kreuzberg und Friedrichshain. Laut Nicole Tempel, einer Mitautorin der Studie, liegt dort die Quote jugendlicher Raucher "erschreckend höher" als der Bundesdurchschnitt. Nahezu jeder dritte Jugendliche zwischen 13 und 17 Jahren rauche - doppelt so viele wie im nationalen Vergleich. Bei den über 18-Jährigen qualmen gar zwei Drittel. Trauriger Spitzenreiter unter den Schulen ist das Theodor-Litt-Oberstufenzentrum. Hier liegt die Quote bei 61 Prozent. Zwischen den verschiedenen Schultypen gibt es kaum Unterschiede - an Hauptschulen werde nicht mehr geraucht als an Gymnasien.

Auffallend ist hingegen die relativ hohe Abstinenzlerquote: Fast 40 Prozent der 13- bis 25-Jährigen hätten noch nie Alkohol getrunken. Dies dürfte mit dem religiösen Hintergrund vieler SchülerInnen zusammenhängen, die zum großen Teil aus muslimischen Elternhäusern stammen, vermuten die Macherinnen der Studie.

So deutlich die Ergebnisse auch sind - was der Bezirk daraus lernt, ist unklar. "Es gibt noch keine Verständigung im Bezirksamt darüber, wie wir auf die Studie reagieren", sagte Gesundheitsstadtrat Mildner-Spindler.

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