Umland: Ins Mark von Brandenburg

Eine Studie schlägt vor, Menschen mit Geld aus ihren Dörfern zu locken. Brandenburgs Politiker sind empört. Dabei kommt ihnen die Diskussion nicht ungelegen.

Gehen Sie hier weg! Ödnis im tiefsten Brandenburg Bild: DPA

Brandenburg hat viel zu bieten - weite Felder und weite Wälder. Nun kam der Vorschlag, die Mark Brandenburg zum ultimativen Naturerlebnis der Republik umzugestalten: Schon bald könnten Wanderer auf dem Weg von Zehdenick nach Joachimsthal auf verlassene Ansammlungen geduckter Häuser treffen, in die ihre neuen Bewohner, Fuchs und Birke, Einzug gehalten haben. Die alten sind umgezogen, in die Städte und größeren Dörfer - weil sie Geld von der Landesregierung bekamen.

So zumindest stellen sich das die Macher einer Studie des Berlin-Instituts für Bevölkerung und Entwicklung zur demographischen Lage Brandenburgs vor, die der Potsdamer Landtag in Auftrag gab und Ende vergangener Woche in Empfang nahm. Die Bevölkerung schrumpft, so viel ist allen klar. Wie darauf zu reagieren ist, darüber erhitzen sich nun die Gemüter. Da es zu teuer sei, die Infrastruktur an dünn besiedelten Gebeten aufrecht zu erhalten, müsse "das Land versuchen, die Menschen dort, wo kein anderer Impuls möglich ist, zum Abwandern zu motivieren", zitierte die Märkische Oderzeitung das Papier. Konkret ist von Geld-Prämien die Rede, um den Bewohnern die Entscheidung zu erleichtern und ihre Dörfer "zu einem Naturerlebnis 'Wildnis'" zu machen.

Politiker aller Couleur reagierten mit Empörung auf den Vorschlag der Studienmacher. "Zynisch und schädlich" fand ihn Brandenburgs SPD-Generalsekretär Klaus Ness, CDU-Fraktionschef Thomas Lunacek sprach von "Unsinn". Günter Baaske, SPD-Vorsitzender und Vorsitzender des Landtags-Hauptausschusses, der das Gutachten in Auftrag gab, sagte der taz: "Wegzugprämien wird es in Brandenburg nicht geben. Das ist eine absurde Idee - schafft aber immerhin Aufmerksamkeit."

Die Frage ist, ob die Empörung der Politiker nicht gespielt ist. Reiner Klingholz, der Leiter des Berliner Instituts, findet den Aufschrei widersprüchlich. Schließlich entstünden "zu Lasten der vom Land betriebenen Leuchtturm-Politik Gebiete, die leer ausgehen." Sprich: Wer die stärkeren Regionen gezielt fördert, vernachlässigt die ohnehin schon strukturschwachen Zonen. Klingholz mutmaßt, "die Landesregierung will, dass die Diskussion über Entvölkerung jemand anderes führt".

Denn die überproportionalen Kosten der Infrastruktur in den dünn besiedelten Gebieten seien nicht von der Hand zu weisen, so Klingholz. Die Konsequenzen aber traue sich kein Politiker auszusprechen. Daher bestünde in Potsdam großes Interesse an einer Veröffentlichung der Studie, die Landesregierung habe dies aber den Forschern überlassen, weil sie nicht mit den Ergebnissen in Verbindung gebracht werden wollten.

Aus rechtlicher Sicht habe das Land praktisch keine Möglichkeiten, die Bewohner dünn besiedelter Landstriche zur Umsiedlung zu bewegen, sagt Ulrich Battis, Professor für Staats- und Verwaltungsrecht an der Humboldt-Universität. Egal wie wenige Menschen an einsamen Orten lebten, "das Land ist verpflichtet, die Infastruktur im ganzen Land aufrecht zu erhalten". Bei dem Prämien-Modell handele sich um eine merkwürdige "Subvention mit umgekehrten Vorzeichen", so Battis. Anstatt die Menschen mit einem Begrüßungsgeld zu sich zu locken, würden sie in Teilen Brandenburgs für ihren Abzug bezahlt.

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