Forschung: Große Leidenschaft fürs ganz Kleine

Lisa-Marie Münter erforscht die Alzheimer-Krankheit. Jetzt hat sie einen renommierten Preis bekommen.

Lisa-Marie Münter begeistert sich für die ganz kleinen Dimensionen - und doch könnte ihr berufliches Ziel kaum höher sein. Ihr Traumberuf ist Professorin. Die 29-Jährige ist Biochemikerin und erforscht die Alzheimer-Erkrankung. Sie erhielt dafür einen mit 30.000 Euro dotierten Förderpreis.

In dem Dahlemer Labor am Institut für Biochemie an der Freien Universität ist es ruhig und hell, ein paar Menschen stehen an Labortischen. Lisa-Marie Münter desinfiziert sich die Hände, nimmt eine kleine runde Plastikdose aus einem Schrank und inspiziert ihren Inhalt unter dem Mikroskop. "Aus dieser Art von Zellen besteht das menschliche Gehirn", erklärt die schlanke Frau mit den hellbraunen kurzen Haaren.

Hier in diesem Labor arbeitet und forscht sie. Hier mischt sie mit Hilfe von Pipetten winzige Enzyme und Proteine, füttert und beobachtet Zellkulturen. Hier hat sie auch ihre Promotion verfasst, in der sie zu den Ursachen der Alzheimer-Erkrankung forschte. Diese Krankheit ist eine Form der Altersdemenz. Im Gehirn entstehen dabei giftige Substanzen, die dazu führen, dass das Gehirn schrumpft. Warum diese giftigen Substanzen entstehen, ist eine der großen Fragen der Wissenschaftler. Einen kleinen Teil zur Antwort hat Lisa-Marie Münter mit ihrer Dissertation beigetragen - und damit vielleicht auch ein Bausteinchen zu künftigen Behandlungsmöglichkeiten. Lebhaft und mit wortreichen Gesten erklärt Lisa-Marie Münter ihr Forschungsgebiet. Immer wieder lacht sie herzlich. "Das ist total irre!"

Gegenstand ihrer Begeisterung ist ein Protein, das nicht einmal ein Millionstel Millimeter groß ist. Das Erforschen derart unsichtbarer Dinge ist ein Teil ihres Ideals, Forscherin zu sein - was für sie, wie sie sagt, schon immer der große Traum war. "Als Kind habe ich mal ein Bild von einer Frau auf einem Baum in einem Regenwald gesehen, die dort Pflanzen untersucht hat. Da habe ich mir gedacht, das will ich auch mal machen." Es wurde dann das Biochemie-Studium, und damit hat sie voll ins Schwarze getroffen. Was ihr an ihrem Beruf aber auch gefällt, ist, dass das, was sie macht, für die Gesellschaft nützlich ist. "Das wäre so toll, ein kleines Molekül zu finden, mit dem man diese Krankheit behandeln kann", sagt sie und strahlt dabei fast enthusiastische Begeisterung aus. Und neben der Arbeit im Labor lehrt die gebürtige Darmstädterin an der FU - was ihr ebenfalls sehr gefällt.

Im April hat sie ihre Promotion mit Auszeichnung abgeschlossen. Jetzt erhielt sie für ihre Forschungen den Förderpreis für weibliche Nachwuchswissenschaftler der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften. "Wir finden es wichtig, die Rahmenbedingungen für Frauen in der Forschung zu verbessern", sagt Gisela Lerch, die Leiterin des Referats Information und Kommunikation bei der Akademie. "Ob sie das Preisgeld beispielsweise für einen Kindergartenplatz oder für die Finanzierung einer Assistenzstelle verwenden, steht den Frauen offen."

Lisa-Marie Münter fühlt sich durch den Preis darin bestärkt, ihren Traumberuf Professorin weiter zu verfolgen. Von dem Preisgeld will sie nach Australien fahren. Aber natürlich wird dort nicht Urlaub gemacht, sondern weitergeforscht: Sie wird an der Universität Melbourne bei einem renommierten Alzheimerforscher mitarbeiten.

Doch bis zur Professur liegt noch ein langer Weg vor ihr. Bereits in den letzten Jahren, als sie an ihrer Promotion gearbeitet hat, stand sie jeden Tag im Labor, auch am Wochenende. Jetzt bereitet sie sich gerade auf ihre Habilitation vor - diese Prüfung ist die Voraussetzung für eine Professur an einer Universität. Bis zur Habilitation braucht man etwa acht bis zehn Jahre, um sich ein Profil in seinem Fachgebiet zu erarbeiten, ein erstes eigenes Projekt zu leiten, Artikel in möglichst anerkannten Fachmagazinen zu veröffentlichen. Und die Konkurrenz ist groß.

Doch sogar nach einer erfolgreichen Habilitation ist die Professur nicht garantiert. Und Frauen haben es hier, das zeigen die Zahlen, besonders schwer. Zwar absolvieren bundesweit etwa ebenso viele Männer wie Frauen ein Hochschulstudium, aber nur jede siebte Professorenstelle ist mit einer Frau besetzt. In den Naturwissenschaften an den Berliner Hochschulen ist das Ungleichgewicht noch größer: Hier ist es nur jede neunte. Mechthild Koreuber, die Frauenbeauftragte der Freien Universität Berlin, sagt: "Die Leistungen von Frauen werden deutlich strenger bewertet als die von Männern, und das ist natürlich sehr wichtig bei der Besetzung von Professuren."

Beispielsweise hätten es Frauen schwerer, bei wissenschaftlichen Zeitschriften Artikel einzureichen, so Koreuber. Auch werde Frauen oft unausgesprochen die Verantwortung für die Kinderbetreuung gegeben: Sie würden beispielsweise im Einstellungsgespräch gefragt, wie sie die Kinderbetreuung regeln wollen - Männer aber nicht.

Bei Lisa-Marie Münter scheint es mit der Gleichberechtigung keine Probleme zu geben: Sie fühlt sich als Frau nicht benachteiligt, sondern wie ihre männlichen Kollegen nur nach der Qualität ihrer Arbeit beurteilt, sagt sie. Der Statistik nach ist sie auch in bester weiblicher Gesellschaft: Im Jahr 2006 promovierten in Berlin in den Fächern Biologie und Chemie fast genauso viele Frauen wie Männer. Auch sagt Münter, sie fühle sich von ihrem Chef, Professor Gerd Multhaup, bestens unterstützt.

Doch privat bedeutet Münters Entscheidung, Professorin zu werden, "maximale Flexibilität", wie sie selbst sagt. Denn auf dem Weg in die Wissenschaft sind die Arbeitsverträge befristet, auf zwei, drei Jahre. Das stellt an sie und an ihren Mann große Herausforderungen. "Ich kann mich auch nicht darauf verlassen, dass ich die Professorenanstellung hier in Berlin finde", weiß Münter. Fernbeziehungen seien in der Branche durchaus üblich.

Dennoch will sie irgendwann auch Kinder haben. "Aber wenn ich zu Hause bleibe, dann nur mit Computer." Eine längere Pause könne sie sich einfach nicht leisten. "Man braucht schon eine hohe Frustrationsgrenze, viel Humor und die Fähigkeit zur Selbstkritik. Und man muss begeistert sein von seinem Fach", überlegt sie. Stolz sei sie schon auf sich. "Ich sehe mich zwar erst am Anfang, aber eigentlich bin ich viel weiter, als ich mir zu Beginn der Doktorarbeit vorgestellt habe."

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