Flüchtlingspolitik: Berlin macht das Bleiben schwer

Ein Bleiberecht zu bekommen wird für viele Flüchtlinge so gut wie unmöglich: Asylbewerber sollen von der Altfallregelung ausgeschlossen werden, die anderen müssen höhere Einkommen vorweisen.

Schlechte Aussichten für Migranten in der Berliner Ausländerbehörde Bild: AP

In Berlin wird es für langjährig in Deutschland lebende, aber nur geduldete und von Ausweisung bedrohte Flüchtlinge wieder schwerer, ein Bleiberecht zu bekommen. Zwar eröffnet seit Ende August ein Gesetz diesen Altfällen einen Weg zum Bleiberecht. Aber die Weisung der Verwaltung, wie das neue Gesetz praktisch ausgeführt wird, macht vieles wieder zunichte.

1. 1. 2005: Das von der Bundesregierung beschlossene Zuwanderungsgesetz tritt in Kraft. Darin sind allerdings keine Regelungen enthalten für Menschen, die schon jahrelang mit unsicherem Aufenthaltsstatus hier leben.

17. 11. 2006: Die Innenminister beschließen, dass lange hier lebende Flüchtlinge unter bestimmten Bedingungen bleiben können. Familie müssen dafür sechs Jahre in Deutschland leben, Alleinstehende acht Jahre. Sie müssen nachweisen, dass sie ihren Lebensunterhalt auf Hartz-IV-Niveau selbst finanzieren können. Sie dürfen nicht straffällig geworden sein. Der Beschluss gilt bis zur Verabschiedung eines Gesetzes.

28. 8. 2007: Das Zuwanderungsgesetz wird mit §104 a um eine Bleiberechtsregelung erweitert. Jedes Bundesland muss Ausführungsvorschriften erlassen.

14. 9. 2007: Berlin veröffentlicht seine Ausführungsvorschriften.

So fallen in Berlin lebende Asylbewerber, deren Verfahren sich schon über Jahre hinzieht, plötzlich aus der Zielgruppe heraus. Sie können keinen Antrag auf Aufenthaltserlaubnis nach der neuen Bleiberegelung mehr stellen. Auch abgelehnte Asylbewerber, die sich mit Duldung weiter in der Stadt aufhalten, können keinen Antrag mehr stellen, wenn ihr Asylbegehren vor Gericht als "offensichtlich unbegründet" abgeschmettert wurde. Zudem gilt für alle, die ein Bleiberecht beantragen: Sie müssen nun höhere Einkommen nachweisen als in den vorher geltenden Vorschriften, die die Innenminister im vergangenen November festgelegt hatten. Mit diesen Regelungen geht der rot-rote Senat hinter die Ausführungsvorschriften anderer Bundesländer zurück. In Niedersachen und Hessen etwa, wo die CDU den Ton angibt, können Asylbewerber einen Antrag auf Bleiberecht stellen.

"Die jetzigen Vorgaben sind eine grobe Verschlechterung für die Betroffenen", sagt Jens-Uwe Thomas vom Berliner Flüchtlingsrat. Die Flüchtlingsorganisationen sind deshalb so irritiert, weil Innensenator Ehrhardt Körting (SPD) sich im Ringen um ein Bleiberecht als Vorkämpfer einer großzügigen Regelung präsentiert hatte. Körting aber ist auch oberster Dienstherr der Ausländerbehörde, die die Ausführungsvorschriften erarbeitete. "Wir sehen da eine große Diskrepanz zwischen dem, was gesagt und dem was getan wird", sagt Thomas. "Wir fragen uns, ob das politisch gewollt ist."

Auf einer Veranstaltung vom "Berliner Bündnis für eine Bleiberechtsregelung" am Mittwochabend in der Kreuzberger Heilig-Kreuz-Kirche rechtfertigte Körting die rigide Haltung seiner Verwaltung: "Jemand, der im Asylverfahren steht, ist nicht ausreisepflichtig. Damit fällt er nicht unter die Bleiberechtsregelung", sagte er. Er versprach jedoch zu prüfen, ob den Beamten hier nicht ein Interpretationsfehler unterlaufen ist. Denn im Gegensatz zur Berliner Weisung macht das neue Bundesgesetz keinen Unterschied, mit welchem Aufenthaltsstatus jemand seit Jahren darauf wartet, hier leben zu dürfen.

Der Flüchtlingsrat fordert nun eine parlamentarische Aufarbeitung der bisherigen Praxis im Umgang mit dem Bleiberecht. Seit die Innenminister letzten November eine Altfallregelung beschlossen, haben in Berlin 3.098 Einzelpersonen oder Familien einen Antrag auf Aufenthaltserlaubnis gestellt. Bisher wurden 583 Anträge bewilligt und 466 abgelehnt. Das sind weit weniger Anerkennungen, als auch Körting letztes Jahr noch für möglich hielt.

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