Bürgerentscheid: Demokratie kostet, Parken nicht

Im Bürgerentscheid stimmen Charlottenburger und Wilmersdorfer gegen die Einführung neuer Parkgebührenzonen. Der Entscheid kostet eine Viertelmillion. Rot-Grün will dem Bürgerwillen folgen

Demokratie schafft vieles, aber keine Parkplätze Bild: Reuters

Nach dem Votum der Charlottenburger und Wilmersdorfer gegen die Einführung neuer Parkgebührenzonen gibt sich die Politik geschlagen. Bezirksbürgermeisterin Monika Thiemen (SPD) sagte am Montag, die Einführung neuer Parkzonen sei damit vom Tisch. Auch die grüne Bezirksstadträtin Martina Schmiedhofer versprach gegenüber der taz, den Bürgerentscheid nicht zu übergehen. "Wir werden das Thema in dieser Wahlperiode nicht mehr anfassen. Ich bin zwar vom Ergebnis enttäuscht, finde aber sehr gut, wie viele Bürger die Möglichkeit der direkten Beteilung genutzt haben."

Am Sonntag hatten 86,9 Prozent der Wilmersdorfer und Charlottenburger in einem Bürgerentscheid gegen die Ausweitung der Parkraumbewirtschaftung gestimmt. Die Bürger machten damit dem Bezirksamt einen Strich durch die Rechnung: Das rot-grün geführte Bezirksamt wollte in drei neuen Parkzonen 11.000 bisher kostenlose Parkplätze kostenpflichtig machen - wie es der Stadtentwicklungsplan Verkehr vorsieht. Danach soll die Ausweitung der Parkraumbewirtschaftung in der Innenstadt die Luftqualität verbessern und die Lärmbelastung reduzieren.

Mehr Grünflächen, mehr Nutzer von Bus und Bahn sowie weniger Autofahrer, die den Anwohnern bei der Parkplatzsuche die Luft verpesten und die Straßen blockieren. Das sind Ziele, die der Senat im Stadtentwicklungsplan Verkehr unter dem Stichwort "Parkraumbewirtschaftung" formulierte. Den Bezirken ist es überlassen, die Pläne im Einzelnen zu prüfen und durchzusetzen. Der Bürgerentscheid vom Sonntag hat sie nun in Charlottenburg-Wilmersdorf erst mal durchkreuzt.

Christian Gaebler, verkehrspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion, sieht dennoch keine Veranlassung für den Senat, seine Verkehrspolitik zu überdenken. Die Parkraumbewirtschaftung sei als Instrument, den innerstädtischen Verkehr zu reduzieren, nur "eine unter vielen anderen Maßnahmen und bei weitem nicht die vordringlichste", sagte er der taz. Eine Signalwirkung von Charlottenburg-Wilmersdorf auf andere Stadtteile könne er nicht ausmachen.

Unterstützung erhält Gaebler vom Koalitionspartner. Auch Jutta Matuschek von Die Linke sagte, sie sehe keine Notwendigkeit für den Senat zu handeln. Zwar könnten sich ähnliche Initiativen in anderen Bezirken wiederholen, aber sie rechne damit, "dass die Bürgerinnen und Bürger dann nicht nur aus dem Bauch heraus entscheiden, sondern rational", so Matuschek zur taz.

Für die verkehrspolitische Sprecherin der Grünen, Claudia Hämmerling, sind dagegen in anderen Stadtteilen geplante Parkgebühren nun kaum mehr durchzusetzen. "Geiz ist geil, das ist die Nummer, die überall zieht", so Hämmerling zu den Argumenten der Gebührengegner. Der Bürgerentscheid, der laut Gaebler von CDU und FDP auch finanziell massiv unterstützt worden ist, liege voll im Trend des rot-roten Senats. Der betreibe durch seine Maßnahmen zur Verkehrsregelung eine "eindeutige Verschiebung zugunsten des Autos und klimaschädlicher Fortbewegung", so Hämmerling. Als Beispiel nannte sie die Förderung des Straßenbaus wie jüngst durch den Senatsbeschluss über den Autobahn-Neubau der A100. Eine "schleichende Abwendung von den ökologischen Zielen, die im Stadtentwicklungsplan festgesetzt sind", sei nicht zu übersehen.

Für Martin Schlegel von der Naturschutzorganisation BUND bedeutet dies, "dass an anderen Schrauben gedreht werden muss", um Lärm und CO2-Ausstoß in der Stadt zu reduzieren. Vor allem der öffentliche Nahverkehr müsse stärker ausgebaut werden, Projekte wie die Straßenbahnanbindung des Spittelmarkts müsse der Senat rascher angehen. Den Parteien, die Parkgebühren unterstützen, warf Schlegel vor, die Bevölkerung nicht hinreichend informiert und mobilisiert zu haben.

CDU und FDP verbuchten das Ergebnis vom Sonntag als Erfolg. Der CDU-Landesvorsitzende Ingo Schmitt zeigte sich überzeugt, dass "von diesem Ergebnis nun auch ein Signal für die gesamte rot-rote Verkehrspolitik ausgeht".

In Charlottenburg-Wilmersdorf wollte man mit gutem Beispiel vorangehen. Durch Parkkosten von 1 Euro pro Stunde hoffte man vor allem, Pendler aus den Außenbezirken und dem Umland zur Nutzung der öffentlichen Verkehrsmittel zu bewegen. Eine entspanntere Parksituation für Anwohner erwartete die Bezirksregierung als positiven Nebeneffekt. Diese wären durch Plaketten von der Zahlpflicht befreit worden.

Verschiedene Bürgerinitiativen sowie CDU und FDP initiierten ein Bürgerbegehren gegen die neuen Parkgebührenzonen. Sie befürchteten, die Wirtschaft vor Ort und Gäste von Anwohnern würden durch die Gebühren unverhältnismäßig belastet. Außerdem bezweifelten die Kritiker, dass durch Parkgebühren der Parkplatzsuchverkehr abnimmt. "Die meisten Menschen würden nicht auf ihr Auto verzichten", sagte Bezirksstadtrat Joachim Krüger (CDU) der taz.

Am Sonntag sprach sich nun eine überwältigende Mehrheit gegen die Ausweitung der Parkraumbewirtschaftung aus. 62.874 Bürger, 26,8 Prozent aller Stimmberechtigten, beteiligten sich am Bürgerentscheid, nur 15 Prozent wären nötig gewesen.

Karin Flothmann, Pressesprecherin des Vereins Mehr Demokratie, begrüßte den Ausgang des Bürgerentscheids und vor allem die hohe Wahlbeteiligung. "Es ist ein gutes Ergebnis in Sachen direkte Demokratie." Das Ergebnis ist rein rechtlich nicht bindend. Doch Flothmann glaubt der Versicherung der rot-grünen Bezirkspolitiker, das Bürgervotum zu respektieren. "Gerade die Grünen sind starke Befürworter der direkten Demokratie und haben sich für die vermehrte Nutzung von Bürgerentscheiden ausgesprochen."

Die Gesamtkosten des Bürgerentscheids schätzt Joachim Krüger, der als Bezirksstadtrat für Bürgerdienste auch Leiter des Wahlamts ist, auf 250.000 Euro. Davon wurden 140.000 Euro für Informationsmaterialien und für die Aufwandsentschädigung von Wahlhelfern ausgegeben. Etwa 110.000 Euro kostet die Arbeitszeit von Verwaltungsmitarbeitern. Die Ausgaben in Höhe einer Viertelmillion Euro findet Krüger aber durchaus gerechtfertigt: "Demokratie hat nun mal ihren Preis."

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