Jobcenter als Wartehäuschen

Die Wirtschaft bietet mehr Ausbildungsplätze an, doch nur jeder dritte Bewerber findet eine Lehrstelle in Unternehmen. Über die Hälfte der Anwärter sucht länger als ein Jahr.

Luxusgut Ausbildungsplatz: Immer mehr Jugendliche drehen nach der Schule Warteschleifen, bis sie einen Beruf lernen dürfen Bild: AP

Zwei von drei Jugendlichen, die sich um Ausbildungsplätze bewerben, sehen auch in diesem Jahr keinen Betrieb von innen. Wie die Arbeitsagentur gestern mitteilte, haben sich in diesem Jahr knapp 35.500 AusbildungsbewerberInnen bei der Agentur registrieren lassen. Die Unternehmen meldeten den Jobcentern exakt 10.663 freie Lehrstellen. Das sind 81 mehr als im Vorjahr, ein Plus von 0,8 Prozent. Die Industrie- und Handelskammer konnte ihrerseits 8.865 abgeschlossene Azubi-Verträge registrieren - 2,6 Prozent mehr als letztes Jahr. "Die Unternehmen bieten immer mehr Plätze an", lobte der Bereichsleiter für Berufsausbildung, Gerd Woweries, die Verbandsmitglieder.

Ordentlich gestiegen, nämlich um fast 50 Prozent, ist jedoch vor allem die Zahl der überbetrieblichen, also öffentlich finanzierten Ausbildungsplätze. Dank des Zuwachses gelten nach Beginn des neuen Lehrjahres im September nur noch 3.600 Jugendliche als unversorgt.

Als Senatorin für Arbeit möchte Heidi Knake-Werner (Linke) nicht meckern: "Es ist erfreulich, dass es über 2.000 weniger unversorgte Jugendliche gibt als im Vorjahr." Doch als gleichfalls zuständige Senatorin für Soziales konstatiert sie das weiterhin bestehende "Problem mit der großen Anzahl von Altbewerbern".

Über die Hälfte der bei den Arbeitsagenturen gemeldeten BewerberInnen wartet nämlich schon ein Jahr und länger auf einen Ausbildungsplatz. Hinzu kommen nach DGB-Angaben 16.000 nicht statistisch erfasste Berufsschüler, die die Wartezeit auf der Schulbank absitzen. Gerade Haupt- und Realschüler sähen sich steigender Konkurrenz durch Abiturienten ausgesetzt, berichtet der Sprecher der Arbeitsagentur Olaf Möller. "In den letzten Jahren haben sich zunehmend Abiturienten um Ausbildungsplätze beworben."

Die Senatsverwaltung für Arbeit und Soziales möchte den Oldies daher zusätzliche Chancen bieten und ihnen die Türen der Jobcenter öffnen. Ausbildungsplatzbewerber sollen trotz fehlenden Berufsabschlusses künftig auch ein Anrecht auf berufliche Weiterbildungen haben. Auf der Konferenz der Arbeits- und Sozialminister will Berlin im November einen entsprechenden Antrag einbringen.

Noch im Oktober starten IHK und Arbeitsagentur eine Nachvermittlungsaktion. Bei diesem Teilstück des vor drei Jahren verabschiedeten Ausbildungspakts sollen alle noch unversorgten Bewerber ein Angebot erhalten - betrieblich oder überbetrieblich.

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