Semesterbeginn: Wenn Wünsche wahr werden

Lange Schlangen vor den Immatrikulationsbüros der Universitäten: Immer mehr Studierende schätzen die Hauptstadt als Studienort, nur wenige erhalten eine Zusage für ihr Wunschfach.

Ein paar Glückliche: Studierende an der Humboldt-Uni Bild: AP

Lautes Stimmengewirr tönt aus dem linken Flügel der Humboldt-Universität und kündigt die meterlangen Schlangen vor den drei Immatrikulationsbüros an. Dreadlock tragende Bob-Marley-Fans warten hier zusammen mit Anzug tragenden Businesstypen. Es wird laut diskutiert, gegessen und gedrängelt. Im Fünfminutentakt öffnen sich die Türen der Immatrikulationsbüros. Heraus treten die frisch gebackenen Studenten. Hinter ihnen drängeln sich die Nächsten durch die schmalen Türpfosten. "Bei den Einschreibungen der ganzen Erstsemestler ist hier die Hölle los", sagt eine Sachbearbeiterin in der Humboldt Universität.

Am Montag begann an den Berliner Universitäten und Hochschulen die Vorlesungszeit des Wintersemesters. 10.775 StudienanfängerInnen begannen an den "großen drei", Humboldt-Universität (HU), Freie Universität (FU) und Technische Universität (TU), ein Studium. 70.250 hatten sich für die Studienplätze beworben. Vergangenes Jahr waren in Berlin rund 132.600 Studierende eingeschrieben. Fünf neue private Hochschulen nehmen zum Wintersemester ihre Arbeit auf, darunter das jüdisch-amerikanische Touro College in Charlottenburg, das unter anderem einen berufsbegleitenden Master-Studiengang zur Vermittlung des Holocaust anbietet. Deutschlandweit einmalig ist auch das Fach Sportpsychologie an der neuen Hochschule für Gesundheit und Sport. Insgesamt gibt es jetzt zwölf private akademische Ausbildungsstätten in Berlin. Die Gebühren für das Privatstudium betragen zwischen 400 Euro pro Semester und 50.000 Euro pro Jahr.

Berlin steht bei den angehenden Studierenden hoch im Kurs. Immer mehr Abiturienten wollen, angelockt von dem besonderen Flair der Stadt, zum Studieren in die Hauptstadt. Waren es bei der Humboldt-Universität im Vorjahr noch 21.269 Bewerber, haben sich in diesem Jahr 24.544 beworben. Auch die FU hat einen gravierenden Anstieg von 30.000 Bewerber auf 35.000 Bewerber zu verbuchen.

Der 19-jährige Moritz Kähn aus Weilheim steht in der Schlange, um sich für sein Wunschfach Philosophie und Deutsche Literatur einzuschreiben. Um auf Nummer sicher zu gehen, hatte er sich nicht nur bei der Humboldt-, sondern noch bei vier weiteren Universitäten im Osten beworben. Vier der fünf schickten ihm eine Zusage. " Ich habe mich letztendlich für Berlin entschieden, weil die Atmosphäre hier so locker und die Lebensunterhaltskosten so niedrig sind", sagt er und rückt dabei der Tür des Immatrikulationsbüros ein Stückchen näher.

Wer in Berlin einen Studienplatz bekommt oder nicht, hängt laut Silvia Dinario, Sprecherin der FU vom Numerus clausus (NC) der Universitäten ab. Diese Form der Zulassungsbeschränkung vonseiten der Universität errechnet sich aus der Studienplatzkapazität. Ob man nun unter oder über dem Numerus clausus liegt, hängt von der jeweiligen Abiturnote ab. Bei den Berliner Abiturienten lag der diesjährige Durchschnitt bei 2,5. Tobias Roßmann, Referent für Lehre und Studium bei des Asta, beobachtet schon seit längerem, wie der NC bei fast allen Fächern stetig ansteigt. "Als ich im Jahr 2001 mein Studium der Geschichte und Politik begonnen habe, bin ich mit meinem Notendurchschnitt von 2,5 noch in alle meine Wunschfächer rein gekommen. Heute sieht das ganz anders aus." Das liegt, sagt Goran Krstin, Sprecher der FU, vor allem an der sinkenden Zahl von Studienplätzen. "Aufgrund von Budgetkürzungen werden bei den Berliner Universitäten Studienplätze abgebaut. Für viele Abiturienten wird es somit immer schwieriger, ihr Wunschfach in Berlin zu absolvieren."

Die 21-jährige Judith Hildebrandt versucht sich seit zwei Jahren für Tiermedizin einzuschreiben. Mit ihrem Notendurchschnitt von 2,7 hat sie bei dem Bewerberandrang wenig Chancen. "Dieses Jahr haben sich 1.250 Leute an der HU für Tiermedizin beworben und nur 100 sind genommen worden." Ihre Wartezeit hat sie mit Praktika im Zoo und beim Tierarzt ausgefüllt. "Das hilft mir jedoch für meine spätere Bewerbung nicht, da zählt ja doch nur der Durchschnitt." Um überhaupt zum Studieren zu kommen, hat sie sich derweil für das Fach Biologie entschieden. "Das hat an der Humboldt Universität wenigstens gleich geklappt." In ihren Händen hält sie schon das blaue Anmeldeformular bereit. Nur die Schlange hindert sie daran, sich bald zum erlesenen Kreis der Berliner Studierenden zu zählen.

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