Kommentar: Die verwechselte Freiheit

Die FDP unterstützt das Volksbegehren für den Flughafen Tempelhof. Und verwechselt mal wieder mutwillig die Freiheit einer Gesellschaft mit den Partikularinteressen der Motorisierten.

Es geht um nichts Geringeres als die Freiheit. Da muss die Partei, die die Freiheit sogar im Namen trägt, sich selbstredend mächtig ins Zeug legen. Da reicht es nicht, wenn irgendein Berliner Abgeordneter die Wähler dazu aufruft, den Flughafen Tempelhof per Volksbegehren zu retten. Es muss schon ein Bundespolitiker wie der FDP-Generalsekretär Dirk Niebel verkünden, dass Tempelhof ein zu rettendes Freiheitssymbol sei.

Die Bundes-FDP unterstützt das Volksbegehren zur Offenhaltung des Flughafens Tempelhof. "Tempelhof ist ein Freiheitssymbol und wir fordern alle Berliner auf, sich an dem Volksbegehren zu beteiligen", sagte FDP-Generalsekretär Dirk Niebel am Montag zum Start der Unterschriftenaktion. Die Flughafengesellschaft will den defizitären Flughafen Ende Oktober 2008 endgültig schließen. Der Beschluss ist noch nicht rechtskräftig. In den Bürgerämtern können die Berliner seit Montag das Volksbegehen "Tempelhof bleibt Verkehrsflughafen" unterschreiben. Das Volksbegehren ist erfolgreich, wenn sich mindestens 7 Prozent der Wahlberechtigten in vier Monaten in die Listen eintragen, also rund 170.000 Menschen. Das Abgeordnetenhaus berät bei Erreichen der notwendigen Stimmenzahl erneut über die Vorlage. Folgt keine Übereinkunft, kommt es vermutlich im Sommer 2008 zum Volksentscheid.

Historisch gesehen wird dem liberalen Sekretär niemand widersprechen. Tempelhof war der Flughafen, über den der Westteil der Stadt während der Berlin-Blockade 1948/49 versorgt wurde. Daran aber würde sich kein Deut ändern, wenn der Flughafen eingemottet würde.

Seine Argumentation erinnert fatal an die zähe Debatte um ein anderes Freiheitssymbol: das Brandenburger Tor. Anfang der 80er hatte der damaligen Regierende Bürgermeister Richard von Weizsäcker mal gesagt, dass die deutsche Frage so lange offen sei wie das Brandenburger Tor zu. In den 90er-Jahren war die Mauer, die das Tor einst verschlossen hatte, längst gefallen. Doch radikale Liberalisten verwechselten schon damals mutwillig die Freiheit einer Gesellschaft mit den Partikularinteressen der Motorisierten und forderten das Durchfahrtsrecht für Autofahrer.

Erst vor exakt fünf Jahren wurden das Tor und der dazugehörige Pariser Platz offiziell von allen lärmenden Autos befreit. Seither hat jeder die Freiheit, in Ruhe über den historischen Ort und durch das Tor zu schlendern. Wahrscheinlich käme nicht einmal mehr ein FDP-Politiker auf die Idee, daran etwas zu ändern.

Wie das Brandenburger Tor könnte auch der Flughafen Tempelhof noch an Bedeutung gewinnen - als Symbol für die Befreiung von verkehrspolitischen Anachronismen. Aber an solcher Freiheit hat die FDP leider kein Interesse.

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Leiter des Regie-Ressorts, das die zentrale Planung der taz-Themen für Online und Print koordiniert. Seit 1995 bei der taz als Autor, CvD und ab 2005 Leiter der Berlin-Redaktion. 2012 bis 2019 Leiter der taz.eins-Redaktion, die die ersten fünf Seiten der gedruckten taz produziert. Hat in Bochum, Berlin und Barcelona Wirtschaft, Gesellschafts- und Wirtschaftskommunikation und ein wenig Kunst studiert. Mehr unter gereonasmuth.de. Twitter: @gereonas Mastodon: @gereonas@social.anoxinon.de Foto: Anke Phoebe Peters

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