Überwachungsfreier Netzverkehr: Razzia gegen Internetaktivisten

Wie ein Server für überwachungsfreien Netzverkehr ins Visier der Ermittler geriet - und was das bedeutet.

Das Recht auf freie Kommunikation wiegt schwer. Bild: dpa

Der Kneipenbesuch endete ungemütlich. Kaum war Alexander J. in einer lauen Julinacht zu Hause angekommen, klopfte es an der Tür. Als Alexander J. öffnete, stürmten Polizisten herein, drückten ihn zur Seite und fingen an, seine Wohnung zu durchsuchen. Nach 30 Minuten erklärten die Polizisten, warum: Alexander J. wurde vorgeworfen, eine Bombendrohung gegen ein Arbeitsamt im Internetforum copzone.de verfasst zu haben.

Der Düsseldorfer J. hat jedoch nie von diesem Forum gehört, schreibt er auf seiner Internetseite. Die Ermittler wiederum sagten, der Absender der Drohung habe eindeutig die IP-Adresse von J.s Server benutzt. Doch das taten bis dato viele.

Alexander J. betrieb nämlich einen sogenannten Tor-Server, der Menschen einen anonymen Datenverkehr im Internet ermöglichen soll. Das Tor-Netzwerk besteht aus einer Vielzahl miteinander verbundener Computer und funktioniert wie eine Wolke. In diese taucht ein Internetnutzer mit der IP-Adresse seines Computers ein - und verschwindet. An bestimmten Ausgängen, den sogenannten Exit-Nodes, taucht er wieder auf - allerdings mit einer anderen Adresse, nämlich der des Exit-Nodes. Damit das funktioniert, müssen allerdings Menschen ihren Computer als einen solchen Ausgang zur Verfügung stellen - Menschen wie Alexander J. Doch der hat jetzt genug und schaltet seinen Tor-Server ab.

"Das Tor-Netzwerk ist für Internetnutzer wichtig, die sich in Zeiten von Vorratsdatenspeicherung und verschäften Sicherheitsgesetzen das Recht auf unüberwachtes Bewegen im Netz bewahren wollen", sagt der Bürgerrechtler Markus Beckedahl: "Die Betreiber von Tor-Servern geraten dadurch allerdings oftmals in das Visier der Sicherheitsbehörden."

Deshalb hätten allein in diesem Jahr etwa sechs Tor-Teilnehmer aufgehört, ihren Server als Exit-Node bereitzustellen. "Das ist fatal, denn Anonymität der Nutzer von Tor kann nur mit vielen Exit-Nodes gewahrt werden, die ihre Adressen zur Verfügung stellen", sagt Beckedahl. Das sei nicht nur für Deutschland wichtig. "Viele Dissidenten in totalitären Regimen nutzen das Tor-Netzwerk für ihre Aktionen." Das Vorgehen der Polizei gefährde diese Menschen.

Natürlich gebe es das Risiko, dass auch Kriminelle das Tor-Netzwerk nutzen würden. Das Recht auf überwachungsfreie Kommunikation wiege aber schwerer.

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