Integration von Muslimen: Profs verreißen Kirchenschrift

14 Religionswissenschaftler kritisieren evangelische Handreichung zum Zusammenleben von Christen und Muslimen

Die EKD habe "einen Scherbenhaufen angerichtet". Bild: dpa

FRANKFURT/MAIN taz Ganz "fürchterlich", schimpfte Jürgen Micksch, Chef des Interkulturellen Rates in Deutschland, seien die Auswirkungen der Handreichung der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) zum Zusammenleben von Christen und Muslimen. Er stellte am Montag in Frankfurt eine Untersuchung der Schrift vor. 14 ProfessorInnen setzen sich kritisch mit der Handreichung "Klarheit und gute Nachbarschaft. Christen und Muslime in Deutschland" auseinander. Als die Analyse im Februar in Auftrag gegeben worden sei, habe er "nicht geahnt, wie heftig diese Kritik ausfällt". Die EKD habe "einen Scherbenhaufen angerichtet". Eine Revision sei dringend erforderlich.

Der Frankfurter Professor Michael Brumlik nannte die kirchliche Handreichung zwar "gut gemeint", aber dennoch verfehlt. Sie betone den Absolutheits- und Überlegenheitsanspruch des Christentums gegenüber anderen Religionen, der einer "Selbstprivilegierung" gleichkomme. Der katholische Tübinger Theologe Karl-Josef Kuschel empfahl, die EKD-Schrift besser "von hinten zu lesen". Im letzten Teil gebe es einige nützliche Hinweise zum Zusammenleben mit Muslimen. Jedoch würden Gemeinsamkeiten der Religionen zu wenig, nur "mit schmallippigem, theologischem Minimalismus" berücksichtigt, der Koran verächtlich gemacht und Muslime zwar als "Gottes geliebte Geschöpfe" bezeichnet, in der Auslegung aber eher "arrogant und abqualifizierend" wie "ungeliebte Mitgeschöpfe" behandelt, denen mit Geduld begegnet werden müsse, bis auch sie den wahren Glauben erkennen könnten. Der Theologe interpretierte die Schrift als Ausdruck theologischer Verlegenheit, da die evangelischen Christen ihr Verhältnis zum Islam seit Martin Luther "geistig nicht bewältigt" hätten.

Der Dekan der Baseler Theologischen Fakultät, Reinhold Bernhardt, kritisierte "den Ton" der Handreichung. Sie klinge "evangelikal", sei "sehr befremdlich" und "lehramtlich apodiktisch": "Das Unwesen des Islam wird zu seinem Wesen erklärt." Es werde "eine grundlegende Nähe zwischen der Gewalt und dem Islam hergestellt", stellte der Schweizer fest. Zwar erschrecke der Terrorismus auch ihn. "Fast noch mehr Angst" mache ihm der Antiislamismus, der in dem Papier aufscheine. Der Imam Bekir Alboga von der Türkisch Islamischen Union Ditib vermisste die "Nächstenliebe" und den Bezug auf die gemeinsamen Wurzeln der drei monotheistischen Weltreligionen, von deren "spiritueller Allianz" er immer "geträumt" habe. Die EKD spiele sich "als Richter und Lehrer auf."

Die Professoren führten den Tenor der Schrift eher auf die persönliche Haltung des EKD-Ratsvorsitzenden Wolfgang Huber zum Islam zurück. Der wies die "pauschalen Vorwürfe" zurück. Sie bildeten nicht das breite Spektrum der Diskussion ab, die durch diese Handreichung ausgelöst worden sei, "sondern vermitteln ein höchst einseitiges Bild". Der Rat stelle sich aber der Kritik und werde sie auf ihre Stichhaltigkeit prüfen.

Das Buch "Evangelisch aus fundamentalem Grund. Wie sich die EKD gegen den Islam profiliert" ist im Verlag Otto Lembeck erschienen.

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