Kommentar Merkel-Putin-Treffen: Petersburger Monolog

Bei allen Themen, die in Wiesbaden verhandelt wurden, saß Merkel gegenüber Putin am kürzeren Hebel. Kein Wunder, dass sie auf taube Ohren stieß.

Von einer "strategischen Partnerschaft" zwischen Deutschland und Russland hat Bundeskanzlerin Angela Merkel erneut gesprochen. Anlass war ihre Wiesbadener Begegnung mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin. Doch diese Bezeichnung ist fast so vermessen und unrealistisch wie der Anspruch auf einen deutschen Sitz im UNO-Sicherheitsrat, den Merkel Ende September vor der Vollversammlung in New York erneuert hat.

Putin selbst hat diese Formulierung nie benutzt - auch nicht, als sein Männerfreund und Gazprom-Geschäftspartner Gerhard Schröder noch in Berlin regierte. Mit gutem Grund, wie sich in Wiesbaden zeigt. Denn in allen Fragen, die dort auf der Tagesordnung standen, hat Deutschland gegenüber Russland die strategisch schwächere Position - und in den meisten Fällen auch die schlechteren Argumente. Für die Verschärfung der UNO-Sanktionen gegen Iran braucht es die Zustimmung - oder zumindest Enthaltung - Russlands im Sicherheitsrat. Dasselbe gilt für eine völkerrechtlich saubere Regelung der Unabhängigkeit des Kosovo.

Merkels Haltung zu den Raketenabwehrplänen der USA ist für Moskau so lange irrelevant, wie sie in Vasallentreue gegenüber Washington verharrt, anstatt für eine kritische Debatte der US-Pläne in der Nato zu sorgen. Und auch beim Thema Energie sitzt Deutschland gegenüber Russland am deutlich kürzeren Hebel. Solange die Bundesregierung keine Strategie entwickelt, um die Abhängigkeit von fossilen Energieträgern zu reduzieren, wird das auch so bleiben. Denn Putins Reich ist der größte Gas- und derzeit drittgrößte Ölanbieter der Welt.

Lediglich bei den Menschenrechten hat Merkel die besseren Argumente. Dass sie auf taube Ohren treffen, ist auch eine Spätfolge der Politik, die der Westen nach dem Ende des Kalten Krieges und dem Zerfall der Sowjetunion verfolgt hat. Die arrogante Siegermentalität gegenüber Moskau und die Ausdehnung der Nato an die russischen Grenzen haben die autokratischen Kräfte in Rußland gestärkt und Demokraten und Menschenrechtler geschwächt. Eine andere Politik hätte zu einer echten Partnerschaft geführt. ANDREAS ZUMACH

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Journalist und Buchautor, Experte für internationale Beziehungen und Konflikte. Von 1988-2020 UNO- und Schweizkorrespondent der taz mit Sitz in Genf und freier Korrespondent für andere Printmedien, Rundfunk-und Fernsehanstalten in Deutschland, Schweiz,Österreich, USA und Großbritannien; zudem tätig als Vortragsreferent, Diskutant und Moderator zu zahlreichen Themen der internationalen Politik, insbesondere:UNO, Menschenrechte, Rüstung und Abrüstung, Kriege, Nahost, Ressourcenkonflikte (Energie, Wasser, Nahrung), Afghanistan... BÜCHER: Reform oder Blockade-welche Zukunft hat die UNO? (2021); Globales Chaos-Machtlose UNO-ist die Weltorganisation überflüssig geworden? (2015), Die kommenden Kriege (2005), Irak-Chronik eines gewollten Krieges (2003); Vereinte Nationen (1995) AUSZEICHNUNGEN: 2009: Göttinger Friedenspreis 2004:Kant-Weltbürgerpreis, Freiburg 1997:Goldpreis "Excellenz im Journalismus" des Verbandes der UNO-KorrespondentInnen in New York (UNCA) für DLF-Radiofeature "UNO: Reform oder Kollaps" geb. 1954 in Köln, nach zweijährigem Zivildienst in den USA 1975-1979 Studium der Sozialarbeit, Volkswirtschaft und Journalismus in Köln; 1979-81 Redakteur bei der 1978 parallel zur taz gegründeten Westberliner Zeitung "Die Neue"; 1981-87 Referent bei der Aktion Sühnezeichen/Friedensdienste, verantwortlich für die Organisation der Bonner Friedensdemonstrationen 1981 ff.; Sprecher des Bonner Koordinationsausschuss der bundesweiten Friedensbewegung.

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