Eine Möwe beißt sich durch

Der Biss eines Polizeihundes vor dem Mövenpick-Hotel löste am späten Donnerstag Abend Proteste aus. Anwohnerinnen und Hotelgegner machen Krach – gegen die Polizeipräsenz im Schanzenpark

Am Mittwoch Abend war die Luft angenehm frisch, am nächsten Abend sollte das Open-Air-Kino starten. Annette W. ging durch den Schanzenpark. Als sie auf dem Rückweg den Weg vorm Hotel erreichte, sei ihr eine Polizistin begegnet, die einen Schäferhund an der Leine führte und plötzlich rief: „Bleiben Sie stehen! Zeigen Sie Ihren Ausweis!“ Ohne Warnung habe sich der angeleinte Schäferhund im Unterarm festgebissen, sagt sie. Der Hund habe auf das Kommando der Hundeführerin loszulassen, nicht reagiert. Es habe dreißig Sekunden gedauert, bis er seinen Biss lockert. Annette W. will nun Anzeige wegen Körperverletzung erstatten. Er sei „entsetzt, dass die Polizei Hunde ohne Maulkorb in einem öffentlichen Park einsetzt und diese ganz offensichtlich nicht unter Kontrolle hatte“, sagt ihr Anwalt Hendrik Schulze. KVA

von KAI VON APPEN

Die Gäste des noblen Mövenpick-Hotels hatten von Donnerstag auf Freitag keine ruhige Nacht. Rund 80 Personen versammelten sich am späten Donnerstagabend vor dem neuen umstrittenen Hotel im Wasserturm und zogen mehrmals um das Backstein-Denkmal herum. Dabei skandierten sie: „Wir machen Krach und ihr seit wach.“

Auslöser der ersten ungeplanten Unruhe waren ausgerechnet diejenigen, die laut städtischem Auftrag für Ruhe zu sorgen haben: PolizistInnen. Am Vorabend war Annette W. direkt vor dem Restaurants des Hotels auf der gläsernen Ebene von einem Polizeihund gebissen worden. Der Hundeführerin war der Schäferhund ohne Maulkorb offensichtlich völlig außer Kontrolle geraten. In dem Tohuwabohu habe sie sogar ihren Kollegen geraten, vor dem Tier auf Distanz zu gehen.

„Dass schwere Verletzungen ausgeblieben sind, ist nur dem Umstand zu verdanken, dass die Frau ihren Arm still hielt“, sagen medizinische Ersthelfer. Annette W. erlitt schmerzhafte Bisswunden an Unterarm und Ellenbogen, die die Handbeweglichkeit einschränken. Sie kann in den nächsten Tagen ihrer Arbeit als Krankenpflegerin nicht nachgehen. Nach der ärztlichen Erstversorgung habe sie einen Platzverweis erhalten, berichtet das „Freie Netzwerk zum Erhalt des Schanzenparks“.

Laut Netzwerk war es der dritte Vorfall binnen weniger Tage, seit Polizei dazu übergegangen sei, mit Hunden auf Patrouille zu gehen, die nach dem Hundegesetz des Senats als „Kampfhunde“ eingestuft werden müssten. So sei unter anderem auch ein Mann beinahe Opfer einer Bissattacke geworden, als er seine Papiere zwecks Personalien-Überprüfung einem Polizisten überreichen wollte. Eine Frau, die ihren Hund ohne Leine im Schanzenpark ausführte, sei von Polizisten aufgefordert worden, mit ihrem Vierbeiner zu verschwinden, sonst könne es sein, dass ihr Hund zerfleischt würde.

Auf Initiative des Netzwerk versammelten sich am Donnerstag gegen 22.30 Uhr zunächst rund 50 Personen vor dem Hauptportal des Wasserturm-Hotels: „Mövenpick beißt sich durch“, stand auf einem Transparent, „Bullengewalt stoppen“, auf einem anderen. Peter Hass, vom Netzwerk forderte dazu auf, trotz der jüngsten Vorfälle „den Park zu nutzen“. Bei der Umrundung des Turms rammten sie am Hundebiss-Tatort ein Warnschild mit großen Lettern in den Boden: „Vorsicht freilaufende Hunde“. Dazu die Warnung; „Wenn ein Hund kommt, flach auf den Boden legen.“ Danach solle mensch sich ruhig verhalten und auf fremde Hilfe warten.

Da die Aktion über das linke Internet-Portal Indymedia am Abend angekündigt worden war, begleitete eine Hundertschaft Polizisten die lautstarken Rundgänge um den Turm. „Wir haben Spaß und ihr habt Schicht“, spotteten die Protestler. Bei dem Spruch „Zivis wir sehen Euch“ platzte einer blonden Undercover-Beamtin mit Pferdeschwanz der Kragen „Wir euch auch“, stammelte sie unüberhörbar und sichtlich genervt ihren in Öko-Outfit getarnten Kolleginnen zu.

Am 28. Juli soll erneut demonstriert werden. Aufgrund des Anwohner-Widerstands war das 200 Betten umfassende Mövenpick-Hotel Anfang Juni nicht wie sonst üblich mit großem Brimborium in Betrieb genommen worden, sondern, wie es die Hotelchefin formuliert: „Schleichend“.

Die Strategie der Hotel-Gegner läuft darauf hinaus, das Hotel durch gezielte Proteste in den Ruin zu treiben.