Antisemistismus: Alttestamentarisch ist nur der böse Blick

Eine Ausstellung im Auswärtigen Amt widmet sich der Frage von "Antisemitismus? Antizionismus? Israelkritik?".

Wo endet die Kritik an Israel? Wo fängt Antisemitismus an? Bild: dpa

Während des Kriegs gegen die Hisbollah fanden in Deutschland einige Friedensdemonstrationen statt. Auch in Saarbrücken, wo sich drei Linke den Demonstranten, die Slogans wie "Israel - Kindermörder" und "Juden raus!" riefen, unvorsichtigerweise mit einer israelischen Flagge entgegenstellten. Die drei wurden nicht nur prompt verprügelt - wenig später erhielt einer der Angegriffenen eine Vorladung des Landeskriminalamts, und seine Wohnung wurde durchsucht. Das Amtsgericht eröffnete ein Verfahren, die Begründung war erstaunlich: Es sei die Absicht der proisraelischen Provokateure gewesen, volksverhetzende Parolen durch Teilnehmer einer genehmigten Demonstration zu verursachen, um so die Veranstaltung zu sprengen.

Das Zeigen des Davidsterns wäre in Deutschland demnach eine Provokation, womit die Behörden vielleicht nicht unrecht haben. Denn zwischen dem offiziellen Diskurs der Bundesrepublik gegenüber Israel und dem gesellschaftlichen Bewusstsein klafft eine deutliche Lücke. Jeder dritte Deutsche glaubt, wie eine Studie der Bertelsmann-Stiftung vor kurzem festgestellt hat, Israel führe einen "Vernichtungskrieg" gegen die Palästinenser, und was die Israelis mit ihnen machten, sei "im Prinzip nichts anderes als das, was die Nazis mit den Juden gemacht haben".

Im Auswärtigen Amt ist nun eine Ausstellung zum Thema "Antisemitismus? Antizionismus? Israelkritik?" zu sehen, die sich der Frage widmet, wo legitime Kritik aufhört und die Grenze zum Antisemitismus überschritten wird. Die neben Anzeigenkampagnenmotiven, Titelbildern und Filmstills gezeigten Karikaturen bewegen sich zum Teil durchaus auf dem Niveau des Stürmers, dabei erschienen sie allesamt in seriösen, meist sogar linksliberalen Publikationen aus Frankreich, Österreich, Italien und anderswo. Sie zeigen etwa, wie Ariel Scharon ein Kind verspeist, die israelische Armee als die neue SS auftritt oder das Jesuskind von einem israelischen Panzer bedroht wird. Da wird die gezielte Tötung des Hamas-Führers Scheich Jassin mit der Kreuzigung Jesu und Gaza mit Auschwitz verglichen.

Deutsche Zeitungen sind in dieser Abteilung erfreulicherweise nicht vertreten, doch wird an anderer Stelle auch ein Cover des Spiegel gezeigt. Es ist Nummer 15 von 2002 mit dem Titel "Auge um Auge. Der biblische Krieg", auf dem Scharon und Arafat einander als gleichermaßen archaische Stammesfürsten gegenübergestellt werden. Nicht nur der Spiegel, auch viele andere deutsche Medien operieren immer wieder mit veralteten Lesarten alttestamentlicher Textstellen, denen das stereotypes Bild des rachsüchtigen Juden zugrunde liegt, das schon vom christlichen Antijudaismus gepflegt wurde. Die Ausstellung tritt hier Lesern und Journalisten hilfreich zur Seite und klärt über die korrekte Übersetzung und Lesart der entsprechenden Bibelstelle gemäß dem Stand der theologischen Forschung auf: "Auge für Auge" heißt es nämlich richtig im Bibeltext, der hier die moderne Auffassung begründet, dass für die Verletzung eines anderen finanzielle Entschädigung geleistet werden muss, und zwar eben je nachdem, welches Körperteil betroffen ist.

Dass das Rachemotiv selbst da herangezogen wird, wo es ganz offensichtlich fehl am Platz ist, lässt darauf schließen, wie ideologisch sein Gebrauch ist, und hier dürfte die Ausstellung ruhig etwas weiter ausholen. Pünktlich zu Spielbergs "München"-Film veröffentlichte etwa die DVA in ihrer Spiegel-Serie ein Buch des ehemaligen israelischen Militärgeheimdienstlers Aaron Klein, der dort erklärt, dass der Mossad mit den gezielten Tötungen palästinensischer Terroristen nach München keine Rache wollte, sondern künftige Anschläge zu verhindern suchte, was im Übrigen auch gelungen sei. Das hinderte aber weder den Verlag daran, dem Buch den Titel "Die Rächer" zu geben, noch hielt es den Rezensenten des Stern von der Behauptung ab, Klein stelle "die Geschichte des israelischen Rachefeldzugs" dar.

Viele Journalisten und Leserbriefschreiber eint darüber hinaus der Gebrauch eines antijüdischen Begriffs aus der Romantik, der mit dem Motiv des "Auge um Auge" eng verbunden ist: Das Adjektiv lautet ursprünglich und im korrekten theologischen Gebrauch auch weiterhin "alttestamentlich", nicht "alttestamentarisch". Letztere Form wurde auch von den Nazis propagiert, um die biblische Ethik als archaische Barbarei zu brandmarken. In ebendiesem Sinn wird es seither munter weiterverwendet, wie der Publizist Andreas Mertin in einem diskursanalytischen Beitrag im Magazin für Theologie und Ästhetik nachgewiesen hat.

Die gemeinsam von der israelischen Holocaust-Gedenkstätte Jad Vaschem und dem Berliner Zentrum für Antisemitismusforschung konzipierte Ausstellung geht nur punktuell ins Detail, zeigt dafür aber den ganzen Querschnitt antisemitischer und antizionistischer Propaganda von linksliberalen Publikationen über ultrarechte Websites bis zu islamistischen Satellitensendern. Sie widmet sich auch diversen Formen der Trivialisierung der Schoa. Ihr eigentliches Ziel ist aber, der Behauptung zu widersprechen, man dürfe Israel nicht kritisieren. Beispiele aus vielen israelischen und deutschen Zeitungen sollen zeigen: Das geht auch auf faire Weise. Die Ausstellung soll in acht weiteren Orten in Deutschland, darunter München, Magdeburg und Halle, gezeigt werden, vielleicht sogar ins europäische Ausland wandern.

Bis 18. 8. im Berliner Auswärtigen Amt, Werderscher Markt 1, zu sehen

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