Friedensnobelpreis für Weltklimarat: Eine Ehrung für die gesamte Forschung

Der Friedensnobelpreis für den Weltklimarat (IPCC) zeichnet einen mühsamen, aber wichtigen Erkenntnisprozess aus, der die Politik einbindet.

Nimmt den Titel für Tausende von Forschern entgegen: Rajendra Pachauri. Bild: ap

BERLIN taz Noch am Dienstag schüttelte Rajendra Pachauri ungläubig den Kopf, als man ihn mit dem Friedensnobelpreis in Verbindung brachte. "Ich warte nicht darauf", sagte der Vorsitzende des Weltklimarats (IPCC) am Rande des Klima-Symposiums in Potsdam. Sein Tipp war Al Gore. "Al Gore hat wahrscheinlich als Privatmann mehr für den Klimaschutz bewirkt, als er es als US-Präsident jemals hätte tun können." Sollte der IPCC den Preis wider Erwarten doch bekommen, dann, so der 67-jährige Inder, sei das eine "Auszeichnung für die gesamte Klimawissenschaft".

Tatsächlich ehrt das Nobelpreiskomitee mit dem UN-Klimarat vor allem einen Prozess, den man als Sieg der Erkenntnis bezeichnen könnte - einer auf kleinstem gemeinsamem Nenner. Der IPCC ist eine einzigartige Verbindung von Wissenschaft und Politik: Hunderte Wissenschaftler aus aller Welt tragen die Erkenntnisse der Klimaforschung in einem einzigen Dokument zusammen. Die Vertreter der Mitgliedstaaten müssen das Papier Wort für Wort absegnen - und sich in den folgenden Klimaverhandlungen an ihm messen lassen.

Dieses Verfahren ist Vor- und Nachteil zugleich: Einerseits ist der Klimarat langsam und bildet nur den Stand der Wissenschaft ab, auf den sich alle Beteiligten einigen können. Der australische Forscher Tim Flannery hat gerade erst errechnet, dass die Treibhausgaskonzentration in der Atmosphäre schon heute eine Gefahrenschwelle erreicht, die der IPCC erst für das nächste Jahrzehnt prognostiziert hatte. Doch während die Wissenschaft voranschreitet, streiten sich die Politiker im IPCC über fast jedes Wort. Lange rang der Rat etwa mit dem Begriff "menschengemacht". Die USA wollten nicht anerkennen, dass die Menschen für den Klimawandel verantwortlich sind - und verzögerten so den gesamten Prozess. Auch vor dem "2-Grad-Ziel" zur Begrenzung der Erderwärmung stand ein harter Kampf mit den Bremsern; zu ihnen gehören regelmäßig die USA, China, Russland und die ölreichen Golfstaaten.

Diese Mühsal ist der Preis für die wichtigste Errungenschaft des IPCC: den Konsens. "Niemand kann mehr sagen, er unterstütze unsere Ergebnisse nicht", sagte Pachauri der taz. "Das ist jede Mühe wert." Und selbst die konservativen Schätzungen des Klimarats waren dieses Jahr alarmierend genug, um eine weltweite Dynamik für mehr Klimaschutz in Gang zu setzen.

Das ganze Jahr über hat der IPCC die Welt auf die Klimaverhandlungen vorbereitet, die im Dezember auf Bali beginnen sollen. Die schlechten Nachrichten lieferte er in wohldosierten Häppchen: Im Februar kam die Erkenntnis, dass sich die Erde je nach Entwicklung der CO2-Emissionen um 1,1 bis 6,4 Grad erwärmen wird. Im April legten die Forscher dar, dass sie schlimmsten Folgen des Klimawandels die ärmsten Länder treffen werden und die Menschheit dringend mit der Anpassung daran beginnen müsse. Im Mai zeigten sie, wie sich der Temperaturanstieg noch auf 2 Grad Celsius begrenzen ließe: mit einer CO2-Trendwende in den nächsten acht Jahren und der Halbierung der Emissionen bis 2050. Im November soll eine Zusammenfassung der Ergebnisse erscheinen - nur zwei Wochen vor den Weltklimaverhandlungen auf Bali.

Für Klimaschützer hat der IPCC in diesem Jahr die entscheidende Rolle für die Klimapolitik gespielt. "Frau Merkel hat nur so agieren können, weil sie sich auf diesen weltweit anerkannten Bericht stützen konnte", analysiert der Germanwatch-Vorsitzende Klaus Milke. Zentral wichtig sei auch, dass mit dem Inder Pachauri ein Vertreter des Südens dem IPCC vorsitzt, der die Schwellenländer in den Prozess einbinden konnte.

Gegründet wurde der IPCC 1988. Schon 1990 prognostizierte er eine Erderwärmung um 0,3 Grad pro Jahrzehnt. Nur wenige begriffen damals die Dramatik. Der Mainstream in Politik und Öffentlichkeit war noch nicht bereit, genau zuzuhören.

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