Videoüberwachung: "Bahn und Bundespolizei sind unser Vorbild"

Die Polizei darf künftig Videoaufzeichnungen der BVG auswerten. Auch die Handy-Ortung wird ausgeweitet. Kritiker befürchten bereits eine neue Qualität des "Überwachungsstaates". Datenschutzbeauftragter Dix gibt Entwarnung.

taz: Herr Dix, gibt es im rot-roten Senat einen Hang zum Überwachungswahn?

Alexander Dix: Nein, den sehe ich nicht. Mit dem Vorschlag für eine Änderung des Polizeigesetzes und des Berliner Datenschutzgesetzes hat der Senat eine Anregung aufgegriffen, die ich gegeben hatte. Im Bereich des Öffentlichen Nahverkehrs, aber auch bei Großveranstaltungen, hatte die Polizei bisher keine ausreichenden Rechtsgrundlagen für den Zugriff auf Videoaufnahmen. Das soll jetzt behoben werden. Ich begrüße den Vorschlag.

Bisher durfte die Polizei die Videoaufzeichnungen an Bahnhöfen nur dann nutzen, wenn tatsächlich ein Verbrechen begangen wurde. Künftig darf sie auch präventiv auf die Daten zugreifen. Dieser Vorschlag kommt wirklich von Ihnen?

Ich will eine Regelung, die genau dem Verfahren der Deutschen Bahn entspricht. Im Auftrag der Bundespolizei erstellt die Bahn Videoaufzeichnungen, auf die aber nur die Bundespolizei im Fall einer unmittelbar drohenden Gefahr oder zu Zwecken der Strafverfolgung zugreifen darf. Ungenutzte Daten müssen nach 24 Stunden gelöscht werden. Dem muss die Regelung für die BVG entsprechen.

Haben Sie nicht Bedenken, dass U-Bahnfahrer nun unter Generalverdacht stehen?

Ich bin nach wie vor der Meinung, dass die Videoüberwachung kein Patentrezept zur Kriminalitätsbekämpfung ist. Erst recht ist Videoüberwachung kein effektives Mittel, um terroristischen Anschlägen vorzubeugen. Trotzdem ist nicht zu bestreiten, dass die Polizei in bestimmten Fällen Bedarf hat, auf diese Daten zuzugreifen, um Personen, die in Gefahr sind, sofort helfen zu können.

Die BVG hatte vor einem Jahr angekündigt, den Wirkungsgrad von Videoüberwachung untersuchen zu wollen. Was ist aus dem Vorhaben geworden?

Leider gibt es kein aussagekräftiges Ergebnis, denn die wissenschaftliche Evaluation, die ich vorgeschlagen hatte, wurde von der BVG abgebrochen. Ich hatte vorgeschlagen, dass erstmals der Effekt von Videoüberwachung wissenschaftlich untersucht wird. Stattdessen beziehen sich die Ergebnisse auf Umfragen der Kunden. Das finde ich unzureichend. Zum ersten Mal gab es die Chance, mit seriösen Mitteln festzustellen, ob Videoüberwachung wirklich etwas bringt. Diese Chance ist vertan. Nun muss der Gesetzgeber entscheiden, ob auf Grundlage dieser dürftigen Ergebnisse wirklich eine flächendeckende Aufzeichnung legalisiert werden soll.

Zudem sollen nun auch Handys von der Polizei geortet werden dürfen. Welche datenschutzrechtliche Bedenken wirft das auf?

Es dürfen ja künftig nicht sämtliche Handys geortet werden, sondern nur in besonderen Fällen unter ganz bestimmten Voraussetzungen, so etwa bei Personen, die vermisst werden oder die einen Selbstmord angekündigt haben. Das war bisher nur möglich, wenn man sich auf einen übergesetzlichen Notstand berief. Insofern finde ich es nachvollziehbar, dass der Senat zu einer klaren Rechtsgrundlage kommen will.

Auch hier keine datenschutzrechtliche Bedenken?

Solange sicher gestellt wird, dass die Ortung auch wirklich nur in den genannten Fällen vorgenommen wird, hielte ich das für akzeptabel. Allerdings lässt das Bundesrecht solche Ortungen nur mit Einwilligung des Betroffenen zu. Davon kann Landesrecht nicht abweichen.

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