Armut: Kellnern langt nicht für die Familie

Geringverdienende Eltern im Fokus: Kinderschutzbund verlangt mehr Hilfen für arme Kinder. Kinderzuschlag soll aufgestockt und unbegrenzt gewährt werden.

An der Hand von Vater Staat: 2,6 Millionen Kinder in Deutschland Bild: dpa

Die Rechnung ist deprimierend: Selbst eine alleinerziehende Kellnerin, die 7,50 Euro brutto die Stunde verdient und in Vollzeit ackert, schafft es nicht, von Hartz IV herunterzukommen, wenn sie zwei Kinder hat. Ihr Verdienst ist zu gering, um nicht aufstockendes Arbeitslosengeld II beantragen zu müssen. Ihre Sprösslinge landen in der Statistik der "Kinderarmut". Das Fallbeispiel präsentierte der Deutsche Kinderschutzbund am Montag und machte einen Vorschlag zur Armutsbekämpfung.

Niedrigverdienende Eltern bräuchten ein neues "niedrigschwelliges Angebot" zur Lohnaufstockung, forderte der Präsident des Kinderschutzbundes, Heinz Hilgers. Der sogenannte Kinderzuschlag für Geringverdiener müsse auf 175 Euro im Monat pro Sprössling erhöht werden. Das aufwendige Antragsverfahren solle abgeschafft und der Zuschlag ausgezahlt werden, solange die Eltern bedürftig seien.

Mit dem Kinderzuschlag würde die Kellnerin aus dem Beispiel inklusive Kindergeld, Wohngeld und Unterhaltsvorschuss ein Nettoeinkommen von 1.911 Euro erzielen - und das, ohne dass sie ein demütigendes Antragsverfahren zu Hartz IV samt der Vermögensprüfung über sich ergehen lassen müsste.

Der Vorstoß knüpft an die aktuelle Diskussion an: Nach der schaffen es mehr und mehr Eltern nicht, mit ihrem Erwerbseinkommen und den herkömmlichen Sozialleistungen wie Wohngeld und Kindergeld - nicht zu verwechseln mit dem Kinderzuschlag! - ein Nettoeinkommen zu erreichen, das unter der Schwelle von Hartz IV liegt.

Weil sie zu wenig verdienen, beantragen Eltern zunehmend ergänzende Leistungen nach den Hartz-IV-Gesetzen. Doch schon bei einer kleinen Aufstockung landen alle Mitglieder der Familie in der Statistik der Sozialleistungsempfänger. Die beiden Erwachsenen gelten dann als Empfänger von ergänzendem "Arbeitslosengeld II", der Nachwuchs als Bezieher von "Sozialgeld". Und dies, obwohl etwa die Kellnerin in Vollzeit ackert und sogar mit 7,50 Euro brutto den von den Gewerkschaften geforderten Stundenmindestlohn nach Hause bringt.

Nach neuesten Zahlen der Bundesarbeitsagentur ist in den vergangenen Jahren die Zahl jener Hartz-IV-Bezieher überproportional gestiegen, die mehr als 800 Euro brutto monatlich selbst verdienen und die Sozialleistung aufstockend erhalten.

Hilgers forderte die Bundesregierung auf, die Reform des Kinderzuschlages verstärkt voranzutreiben. Bisher bekommen geringverdienende Eltern zusätzlich zum Kindergeld seit dem Jahre 2005 schon einen sogenannten Kinderzuschlag von 140 Euro pro Kind und Monat. Die Verdienstvoraussetzungen sind dabei aber so eng gefasst und das Antragsverfahren so aufwendig, dass dieser Zuschlag bislang nur für rund 100.000 Kinder gewährt wird. Die Zahl der Kinder mit Anspruch will auch Familienministerin Ursula von der Leyen auf 500.000 erhöhen und kündigte dazu ein "Eckpunktepapier" an. Dies sei aber zu wenig und zu unkonkret, bemängelte Hilgers.

Zur Direktbekämpfung der Kinderarmut forderte der Präsident des Kinderschutzbundes, für Kinderbekleidung und Schulbedarf von Hartz-IV-Empfängern wieder einmalige Beihilfe zu gewähren. Auch müsste der Staat für diese Kinder ein kostenloses Essen in Ganztagskitas und in Ganztagsschulen anbieten.

2,6 Millionen Kinder und Jugendliche seien arm, erklärte Hilgers am Montag. Dazu rechnete er alle EmpfängerInnen nach Hartz IV unter 18 Jahren, aber auch die Kinder von Asylbewerbern und erwerbsunfähigen Eltern.

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