Katholiken ohne geschichtliches Grundwissen

Das Bistum Magdeburg vermietet ein Geschäft im Hundertwasserhaus versehentlich an einen rechten Szeneladen

MAGDEBURG taz ■ Bunt und rund: Das Hundertwasserhaus zieht internationale Gäste in die Landeshauptstadt. Die „Grüne Zitadelle von Magdeburg“ liegt nahe dem gotischen Dom und dem barocken Landtag. Beste Citylage für Geschäfte. Seit Freitag strömen neue Kunden, braun und kantig, zur „Zitadelle“. Im Untergeschoss hat der Bekleidungsladen Narvik eröffnet, der die in der rechten Szene beliebte Marke „Thor Steinar“ anbietet. Nicht mehr lange wahrscheinlich. „Die Kündigung folgt“, versichert Bernd Lüdkemeier, Direktor der Landeszentrale für politische Bildung, der zugleich das „Netzwerk für Demokratie und Toleranz“ in Sachsen-Anhalt koordiniert.

Kurz nach der Eröffnung kamen schon die ersten Kunden. Ein Pärchen im rechten Szenechic kaufte mit den Kindern im Alter zwischen acht und zehn Jahren ein. Der Mieter Uwe Meusel, Geschäftsführer der Firma Media Tex GmbH, die „Thor Steinar“ vertreibt, war sehr beschäftigt. „Sein Gesicht wollte er nicht zeigen“, sagt Lüdkemeier. „Mit dunkler Lockenperücke und großer Sonnenbrille lief er herum.“

Die Brisanz von Marke und Namen war den Vermietern die Gero AG, einer Gesellschaft des katholischen Bistums Magdeburg, nicht aufgefallen, obwohl sie Bonität und Warensortiment überprüft hatten. „Das macht mich sprach- und fassungslos“, sagt Lüdkemeier. Bischof Gerhard Feige wies gleich am Freitag die Gero AG an, umgehend das Mietverhältnis aufzulösen. Die Gedankenwelt, die dahinter stehe, sei mit der christlichen Botschaft nicht vereinbar.

Sachsen-Anhalts Justizministerin Angela Kolb (SPD) sprach sich für die sofortige Kündigung des Mietvertrags aus: „Das ist die denkbar schlechteste Visitenkarte für die gute Stube der Stadt, und es beschmutzt den Namen Hundertwasser.“ In einem offenen Brief empörte sie sich zudem über den Namen des Geschäfts, denn 1940 zerstörte die deutsche Luftwaffe die norwegische Stadt Narvik. „Das ist geschichtliches Grundwissen.“

Seit Jahren ist die vermeintlich nur fesch-nordische Marke „Thor Steinar“ in der Neonaziszene sehr beliebt. In Sachsen-Anhalt ist das alte Firmenlogo verboten. „Das macht mich betroffen, dass das nicht auffiel“, sagt Lüdkemeier, den die schnelle Reaktion des Bistums aber erfreut. Eine Verkäuferin erklärt indes knapp der Presse: „Das Geschäft ist gut gelaufen.“ ANDREAS SPEIT