Afrika im Film: Eine Reise in die Leere

Hunger, Bürgerkrieg, Dürre: Der Spielfilm "Als der Wind den Sand berührte" verhandelt die Nöte Afrikas - mal beeindruckend abstrakt, mal naiv und beliebig.

Wissen nicht weiter: Rahne (Issaka Sawadogo), Shasha (Asma Nouman Aden) und das Dromedar Chamelle Bild: kinowelt

Armes Afrika! Europäische und amerikanische Filme, die diesen Schauplatz wählen, lieben den gönnerhaften Gestus. Man nimmt sich der Hungersnöte, der Bürgerkriege, der Überlebenskämpfe an, setzt sich mit Problemen auseinander, die, wie es so schön heißt, unseren Nachrichten nur eine Randnotiz wert seien. Großspurig gibt man das Sprachrohr einer vernachlässigten Region.

Aber wer spricht da eigentlich? Oft wirken die Figuren dieser Filme wie Statisten ihres eigenen Lebens. In bunte Stoffe gehüllt, geben sie in Schmonzetten wie "Nirgendwo in Afrika" oder "Die weiße Massai" den folkloristischen Hintergrund oder verschmelzen zum faszinierend Fremden an sich. In Filmen über den Bürgerkrieg in Ruanda ("Shooting Dogs", "Hotel Ruanda") werden sie mit schicksalhafter Zwangsläufigkeit zu Opfern, auf deren Rücken ein folgenloses konsensfähiges Mitleid ausgetragen wird. Eingebettet sind all diese ehrenwerten Ansätze in die pittoresken Schauwerte Afrikas.

In ihrem Film "Als der Wind den Sand berührte" versucht die belgische Regisseurin Marion Hänsel einen anderen Weg zu gehen. Aus der Augenhöhe der Figuren soll hier erzählt, nicht über ein Leben, vielmehr aus einem Leben berichtet werden. Zu Beginn sieht sich eine kleine dörfliche Gemeinschaft in einem nicht näher bezeichneten Land von einer schrecklichen Dürre bedroht. Als die Brunnen versiegen, bleibt nur die Flucht. Während die meisten Bewohner nach Süden ziehen, favorisiert Dorflehrer Rahne (Issaka Sawadogo) den Osten. Denn jenseits der Grenze gibt es Seen, an denen man sich niederlassen könnte. Der Weg dorthin führt jedoch durch Bürgerkriegsgebiete und eine endlose Wüste.

Mit seiner Frau, den drei Kindern, einer Herde abgemagerter Ziegen und dem Dromedar Chamelle macht sich Rahne ins Ungewisse auf. Dabei nimmt man die Dürre, die Unwirtlichkeit der Landschaft aus der Perspektive dieser verlorenen Familie wahr. Wenn die Kamera in die Ferne schwenkt, wartet am Horizont kein Hoffnungsschimmer, sondern nur gleißende Trockenheit und unbewohnbares Land. Mit Überblendungen markiert Hänsel die ungeheuere Strecke, die die Familie zurücklegen muss. Ganz langsam werden die Schritte schwerer, die Lippen trockener. Es ist eine Reise in die Leere, in die Verzweiflung.

In diesem ersten Teil der Reise gelingen Marion Hänsel Bilder eines existenziellen Ausgeliefertseins. Ihre zurückhaltende, auf dramatisierende Effekte verzichtende Inszenierung hat weder biografischen noch psychologischen Ballast. Ganz unaufdringlich bekommt ihr Film etwas Exemplarisches. So als seien im Überlebenskampf dieser einen Familie viele Familien und namenlose Schicksale eingeschlossen.

Dieser Versuch einer Parabel stößt jedoch an seine Grenzen, wenn der Film diesen fast abstrakten Raum verlässt. Korrupte Soldaten und marodierende Rebellen tauchen auf, die Familie wird ausgenommen, ausgeraubt, bedroht und beschossen. Diese Gewalt kommt aus einem geschichtslosen Nichts. Schematisch und ein wenig naiv werden die Zeichen des Bürgerkriegs abgehakt: Rebellen mit Schnapsflaschen in der Hand, kindliche Kämpfer mit viel zu groß anmutenden Gewehren, feiste Befehlshaber. In solchen Szenen verliert "Als der Wind den Sand berührte" seine existenzielle Kraft. Aus Abstraktion wird Unschärfe und Beliebigkeit. So entsteht auch in diesem Film das Bild eines Kontinents, in dem sich Hunger, Krieg und Dürre zu einem schicksalhaften Schlamassel verbinden. Trotz allem ist es Marion Hänsel hoch anzurechnen, dass dieses arme Afrika hier nicht aus dem Gestus einer letztlich austauschbaren Betroffenheit entsteht. Ihr Film mag letztlich vorhersehbare Wege gehen, aber er geht sie bis zuletzt mit seinen Protagonisten.

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