Bayreuth: Erst ein Paar Schuhe durch

Katharina Wagner hat sich mit ihrer "Meistersinger"-Premiere bei den Bayreuther Festspielen viele Buhs eingefangen.

Katharina Wagner: "Ausgebuht zu werden gehört zum Berufsbild eines Regisseurs" Bild: ap

Die Strategie war sehr durchsichtig: Katharina Wagner zur Eröffnung der Festspiele in Bayreuth 2007 mit einer Premiere der "Meistersinger" zu betrauen, um sie damit in der Frage der Nachfolge für die künstlerische Leitung an die Spitze zu bugsieren. Einen zwiespältigen Gefallen hat Wolfgang Wagner damit seiner Tochter als Regisseurin getan. Denn je weniger sie im Vorfeld zur Frage eines Intendanz-Konzepts Stellung nehmen wollte, umso mehr richteten sich alle Augen auf ihre erste Regieleistung auf dem Grünen Hügel. Das ist bis jetzt der einzige Knochen, den man zum Draufherumbeißen hat.

"Ausgebuht zu werden gehört zum Berufsbild eines Regisseurs", sagte Katharina Wagner vorbeugend in eine der vielen Kameras, die ihre Probenarbeit beobachten durften. Diese Offenheit war neu, ein kleines Zeichen für den erhofften Imagewechsel in Bayreuth. Den halten im Freundeskreis der Festspiele selbst die für notwendig, die eigentlich gern ihren Wagner nie vom Sockel des einzigartigen Genies holen wollten - Katharina ist ihre Hoffnungsträgerin, weil sie ihr zutrauen, ein junges Publikum neu zu gewinnen.

Wahrscheinlich auch jetzt noch, nach der Premiere, die am Mittwoch, wie man hört, mit vielen und anhaltenden Buhs aufgenommen wurde. Aber vielleicht denkt man im Kosmos Bayreuth vertrauensselig: Wer uns nur ähnlich fremd ist wie Christoph Schlingensief, wird uns sicher auch ähnlichen Ruhm bringen.

Aber unzufrieden, das konnte man in Frühkritiken hören und in Online-Diensten lesen, waren womöglich nicht nur alte Wagnerianer, die hier nichts mehr von der Aufführungstradition der "Meistersinger", die Wolfgang Wagner jahrzehntelang nicht aus der Hand gab, wiederfinden konnten, sondern stattdessen ein ein bizarres Panoptikum zu sehen bekamen: Uropa Richard tanzte in der Unterhose, ein Nackter stieg aus der Kiste, und am Ende wurde das Regieteam verbrannt. Unzufrieden sind auch die Kritiker, die auf eine rezeptionskritische Aufführung hofften. Als Absicht sei sie zwar deutlich markiert: "Plakativ" und "kopflastig", so hieß es, weise alles wie eine breit ausgeschilderte Straße in Richtung Kunstdiskurs hin, auf eine Konzentration auf den Konflikt zwischen Innovation und Tradition. Dafür hat Katharina Wagner die Figuren neu interpretiert und gegen die bekannte Lesart gebürstet. Und doch sah das alles sehr gewollt aus und war von einer Ironie, die sich gegen die eigenen Einfälle richtet.

"Ihr Terrain hat sie damit trotzdem behauptet", sagte die Opernkritikerin Christine Lemke-Matwey, der Kritik am Sammelsurium von Zitaten und der Anhäufung von Bildern zum Trotz. Denn wenn es der Inszenierung von Katharina Wagner auch nicht gelungen sei, die jahrzehntelange Verspätung, mit der Bayreuth der Entwicklung des Musiktheaters hinterherhinke, aufzuheben, so habe sie doch das Bewusstsein davon und den Anlauf zur Veränderung ausgestellt.

Was das für die Frage der Nachfolge heißt: nicht viel. Nur so viel, dass inszenatorisches Geschick und Festspielleitungen zwei Paar Schuhe bleiben und Katharina Wagner in dem zweiten Paar noch keinen Schritt getanzt hat.

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Geboren 1957 in Köln. Seit Mitte der 80er Jahre Autorin für die taz (über bildende Kunst, Tanz, Theater, Film), seit 2003 Redakteurin.

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